Das Frauenkomplott
Schmerbusch und dann wollte sie eine Woche in Frankfurt bleiben.
Auf der anderen Seite wollte ich jetzt auch nichts überstürzen. Auf jeden Fall wollte ich an mich halten und meiner Therapeutin nichts von meinen kriminellen Fantasien erzählen. Der Traum fiel also flach. Aber möglicherweise träumte ich bis Dienstag noch etwas Neues, was ergiebig genug war für die Therapiestunde. Irgendwie ging es mir so gut, dass mich der Gedanke anflog, meine psychisch bedingten Ausgaben einzustellen – oder doch zumindest zu reduzieren.
Als ich endlich auf ihrer Couch lag und ihr diese Überlegungen etwas skeptisch und vorsichtig erzählte, freute sie sich. Befürchtungen, dass sie Patienten in der Hinsicht schurigeln würde, sie seien nicht so weit, oder die Sorge, dass es sie unter Umständen kränken könne, wenn ein Patient auch ohne sie leben wollte, waren völlig überflüssig.
»Das freut mich. Sehen Sie!« Und sie wies auf ihr Plakat, das sie über dem Sofa hängen hatte – eine alte Mercedes-Werbung aus den USA, die sie sich von irgendeiner Reise mitgebracht hatte: »Fire your therapist – see your local dealer.«
Martha Baum war ein altes erfahrenes Urgestein. Sie hatte so viele Menschen auf ihrer Couch gesehen, die sich – manche mühsamer, andere schneller – veränderten. Für sie sei es ihr schönster Erfolg, wenn die Patienten endlich begännen, das zu tun, was für sie richtig und notwendig ist, statt auf dem Sessel oder der Couch für teures Geld darüber zu philosophieren, was sie gern hätten oder täten. Gelungen sei ihrer Ansicht nach eine Therapie dann, wenn eine Patientin endlich keine Zeit mehr für die Therapie habe, weil es in ihrem Leben Wichtigeres zu tun gebe.
Ich wunderte mich in meiner Rückenlage ein wenig darüber, dass sie mir das erzählte, nahm es aber als Ritterschlag, dass sie mich sozusagen als »reif« erachtete, das zu verkraften.
Denn sie setzte noch hinzu: »Handeln ist heilender als Reden!«
Da waren wir allerdings an einem heiklen Punkt. Was war Handeln? Meine Absichten, Friedbert um das Geld zu bringen, das ihm nicht zustand, wollte ich nicht mit ihr erörtern. Ich ahnte auch, dass sie vom therapeutischen Aspekt nicht gerade diese Art von Handlungen meinte, die förderlich seien. Obwohl es durchaus vorstellbar war, dass die Rückführung des Geldes eine ganz heilsame Sache sein könnte. Zumindest für Ruth. Die hätte das, was ihr zustände – und Mari könnte sich die Eigentumswohnung ohne Kreditaufnahme leisten. Und die Genugtuung, etwas wieder richtigzustellen, was schiefgelaufen war, konnte auch ein durchaus hilfreiches Gefühl sein.
Allein der Gedanke daran, Friedbert auf sein Mittelmaß zurechtzustutzen, setzte in mir einen Anflug von Allmachtsfantasien frei, die – da war ich sicher – von Martha Baum als die Umkehrung einer selbstzermürbenden Ich-Störung interpretiert werden könnten. Also blieb ich bei meiner Entscheidung, ihr nichts von diesem Plan zu erzählen.
Ihr den Traum mit Friedbert auf dem Goldhaufen vorzutragen, kam auch nicht in Frage. Sie war viel zu gerissen, als dass sie – wenn ich ihr nur einen Zipfel der Geschichte reichte – nicht alles aus mir herauspulen würde.
Ja, es täte sich was in meinem Leben, sinnierte ich unverbindlich vor mich hin und döste weiter über den gestrigen Abend.
Martha schwieg eine Weile und fragte freundlich: »Was tun Sie denn in Ihrem Leben?«
Touché. Wieder hatte sie mich freundlich an den Ohren, damit ich mich nicht über meine unbedachte Formulierung verstolperte. Verschweigen geht nicht, wenn Martha etwas wissen will.
»Ich verkaufe einen Picasso, ich bin beim Hochadel auf der Telefonliste und ich spreche nicht mehr über das Wetter.«
Meine Therapeutin lachte und dachte wahrscheinlich einen Moment darüber nach, dass ich ihr seit drei Jahren mit der Begrüßung eine Kleinklimabeschreibung gegeben habe, was sie mir auf Dauer austrieb, weil sie das meist mehr oder weniger subtil mit meiner augenblicklichen psychischen Verfassung verquickt hatte. Mit der Zeit wurde ich zwar vorsichtig bei meiner Wortwahl über das Wetter und vermied die andernorts unverfänglichen Beschreibungen wie »drückend«, vom Wetter »gebeutelt«, »entkräftet«, »niedergedrückt«, vom Sturm »durchgerüttelt«, in die Wohnung »verbannt« und durch die Hitze »ausgelaugt«. Einmal hatte es eine ganze Sitzung gebraucht, nachdem ich lapidar beim Hereinkommen gesagt hatte, in diesen Temperaturen würde man ja eingehen, bis
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