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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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einen Sessel fallen.
    »Mr. Weicker, neulich abend hat jemand Meg von hinter unserem Haus aus fotografiert.«
    »Weiß die Polizei davon?«
    »Ja.«
    »Dann geben Sie ihr auch von diesem Anruf Bescheid.
    Und halten Sie mich bitte auf dem laufenden, falls Sie noch mehr solche Anrufe bekommen. Sagen Sie Meg, daß sie uns fehlt.«
    Er meinte es ehrlich. Da war sie sich sicher, und er machte sich offenbar ernsthaft Sorgen. Catherine kam zu dem Schluß, daß ihre Tochter Weicker all das, was sie in Scottsdale über die junge Tote, die ihr so ähnlich war, in Erfahrung gebracht hatte, bestimmt als Exklusivstory überlassen hatte.
    Vor den Medien kann man es sowieso nicht verbergen, dachte Catherine. Frances Grolier würde nach New York kommen, um Anspruch auf die Leiche ihrer Tochter zu erheben.
    »Mrs. Collins, ist alles in Ordnung mit Ihnen?«
    »Ja, und da gibt es etwas, was Sie als erster erfahren sollten. Meg ist gestern nach Scottsdale, Arizona, geflogen, weil …«
    Sie berichtete ihm, was sie wußte, und beantwortete anschließend seine Fragen. Die letzte fiel ihr am schwersten.
    »Als Nachrichtenmann muß ich Sie das fragen, Mrs.
    Collins. Was empfinden Sie jetzt Ihrem Mann gegenüber?«
    »Ich weiß nicht, was ich jetzt für meinen Mann empfinde«, erwiderte Catherine. »Ich weiß allerdings, daß mir Frances Grolier sehr, sehr leid tut. Ihre Tochter ist tot.
    Meine Tochter lebt und wird heute abend wieder bei mir sein.«
    Als sie schließlich wieder auflegen konnte, ging Catherine ins Eßzimmer und setzte sich an den Tisch, wo die Unterlagen noch so dalagen, wie sie sie zurückgelassen hatte. Mit den Fingerspitzen rieb sie sich die Schläfen. Kopfweh machte sich bemerkbar, ein dumpfer, hartnäckiger Schmerz.
    Die Türklingel läutete sanft. Gott steh’ mir bei, daß es nicht die Leute vom Staatsanwalt oder irgendwelche Reporter sind, dachte sie, während sie müde auf die Beine kam.
    Durch das Wohnzimmerfenster konnte sie einen großgewachsenen Mann unter dem Vordach stehen sehen.
    Wer das wohl sein mochte? Flüchtig bekam sie sein Gesicht ins Blickfeld. Überrascht eilte sie zur Haustür, um zu öffnen.

    »Hallo, Mrs. Collins«, sagte Victor Orsini. »Ich bitte um Verzeihung. Ich hätte vorher anrufen sollen, aber ich war in der Nähe und dachte, ich probier’s und schaue vorbei.
    Ich hoffe, daß vielleicht ein paar Papiere, die ich brauche, in Edwins Akten geraten sind. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich sie eben durchgehe?«

    Meghan nahm den Flug 292 der Linie America West, Startzeit 13 Uhr 25 ab Phoenix und geplante Ankunft um 20 Uhr 05 Ortszeit in New York. Sie war dankbar, daß sie einen Fenstersitz bekommen hatte. Der mittlere Platz war nicht besetzt, die etwa vierzigjährige Frau zum Gang hin schien jedoch redselig zu sein.
    Um ihr zu entgehen, verstellte Meg ihre Sitzlehne nach hinten und schloß die Augen. Sie ließ jede Einzelheit ihrer Zusammenkunft mit Frances Grolier wieder vor ihrem geistigen Auge ablaufen. Während all dies wieder an ihr vorbeizog, schienen ihre Gefühle Achterbahn zu fahren und schlingerten von einem Extrem ins andere.
    Zorn auf ihren Vater. Zorn auf Frances.
    Eifersucht, daß es noch eine Tochter gegeben hatte, die ihr Vater geliebt hatte.
    Neugier, was Annie betraf. Sie war eine Reisejournalistin. Sie muß intelligent gewesen sein. Sie sah wie ich aus. Sie war meine Halbschwester, dachte Meghan. Sie atmete noch, als man sie in den Krankenwagen legte. Ich war bei ihr, als sie starb, und ich hätte nie erfahren, daß es sie überhaupt gab.
    Mitgefühl für alle: für Frances Grolier und Annie, für ihre Mutter und für sich selbst. Und für Dad, dachte Meghan. Vielleicht vermag ich ihn eines Tages so zu sehen, wie Frances es tut. Ein verletzter kleiner Junge, der sich nur geborgen fühlen konnte, solange er sicher war, daß es einen Platz gab, wo er hin konnte, einen Platz, wo man ihn haben wollte.
    Aber trotzdem, ihr Vater hatte nicht nur ein Zuhause gehabt, wo man ihn liebte, sondern zwei, dachte sie. Hatte er beide nötig, zum Ausgleich für die beiden, die er als Kind kannte, Orte, wo man ihn weder haben wollte noch liebte?
    Die Stewardessen begannen Getränke zu verteilen.
    Meghan bestellte ein Glas Rotwein und trank ihn langsam, froh über die Wärme, die sich in ihrem Körper auszubreiten begann. Sie warf einen Blick zur Seite. Die Frau zwei Sitze weiter war zum Glück in ein Buch vertieft.
    Die Lunchportionen wurden ausgeteilt. Meghan hatte keinen Hunger, nahm

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