Das fremde Gesicht
unter den gegebenen Umständen war das unmöglich. Da gab es etwas, was er finden wollte, etwas, was er im Büro überprüfen wollte, und jetzt, da er in Eds altes Büro ziehen konnte, stellte sich die Suche vielleicht als einfacher heraus.
26
Bernie hielt bei einem Schnellrestaurant an der Route 7
außerhalb von Danbury an. Er setzte sich auf einen Barhocker an der Theke und bestellte einen Deluxe-Hamburger, Pommes frites und Kaffee. Während er mit zunehmendem Wohlbehagen kaute und schluckte, ließ er zufrieden all die Dinge Revue passieren, die er in den Stunden seit seinem Aufbruch von zu Hause erledigt hatte.
Nachdem das Auto gereinigt war, hatte er in einem Gebrauchtwarenladen im südlichen Manhattan eine Chauffeursmütze und ein dunkles Jackett gekauft. Er ging davon aus, daß ihm diese Aufmachung gegenüber all den anderen »Zigeuner«-Taxis von New York einen Vorteil verschaffen würde. Dann war er zum La-Guardia-Flughafen gefahren und hatte in der Nähe der Gepäckauslieferung gestanden, wo all die anderen Fahrer darauf warteten, Passagiere abzuholen.
Er hatte sofort Glück. So ein Typ etwa um die Dreißig kam die Rolltreppe herunter und überflog die Namensschilder, die von den Fahrern hochgehalten wurden. Da war niemand, der auf ihn wartete. Bernie konnte seine Gedanken lesen. Er hatte wahrscheinlich bei einem dieser spottbilligen Dienstleistungsbetriebe einen Fahrer bestellt und ärgerte sich jetzt schwarz. Die meisten Fahrer dieser Billigbetriebe waren Typen, die gerade erst nach New York gekommen waren und das erste halbe Jahr ihres Jobs damit verbrachten, sich zu verfahren.
Bernie war auf den Mann zugegangen, hatte sich erboten, ihn in die Innenstadt mitzunehmen, ihn vorgewarnt, daß er zwar keinen protzigen Schlitten, aber einen netten, sauberen Wagen habe, und geprahlt, er sei der beste Fahrer, der zu kriegen sei. Er nannte zwanzig Dollar als Preis für eine Fahrt zur Achtundvierzigsten Straße West. Er brachte den Mann in fünfunddreißig Minuten dorthin und erhielt zehn Dollar Trinkgeld. »Sie sind ein verteufelt guter Fahrer«, sagte der Mann, als er zahlte.
Bernie dachte voller Vergnügen an das Kompliment, während er nach einer Fritte fischte, und lächelte vor sich hin. Wenn er weiterhin so gut verdiente, zusätzlich zu seiner Abfindung und der Urlaubsvergütung, konnte er lange durchhalten, bevor Mama herausfand, daß er seinen alten Job nicht mehr hatte. Sie rief ihn dort nie an. Sie mochte nicht telefonieren. Sie sagte, daß sie davon Kopfschmerzen bekäme.
Und da war er also, frei wie ein Vogel, niemandem Rechenschaft schuldig und auf dem Weg, sich anzuschauen, wo Meghan Collins wohnte. Er hatte sich eine Straßenkarte der Umgebung von Newtown besorgt und sie studiert. Das Haus der Familie Collins war an der Bayberry Road, und er wußte, wie er dorthin kam.
Um genau zwei Uhr fuhr er langsam an dem Haus mit den weißen Schindeln und den schwarzen Rolläden vorbei.
Seine Augen wurden schmal, als er jedes Detail in sich aufnahm. Die große überdachte Veranda. Hübsch.
Irgendwie elegant. Er dachte an die Leute nebenan bei ihm zu Hause in Jackson Heights, die über den größten Teil ihres winzigen Hinterhofs Beton gegossen hatten und jetzt die bucklige Fläche großspurig ihren Patio nannten.
Bernie schaute sich das Grundstück an. Da war ein riesiger Rhododendron in der linken Ecke der mit Schotter gedeckten Einfahrt, eine Trauerweide fast genau mitten auf dem Rasen. Immergrüne Pflanzen bildeten eine kräftige Hecke zur Abgrenzung des Collinsschen Besitzes vom Nachbargrundstück.
Vollauf zufrieden, drückte Bernie seinen Fuß auf das Gaspedal. Falls jemand ihn beobachtete, war er bestimmt nicht so bekloppt, hier direkt zu wenden. Er fuhr um die Kurve und trat dann voll auf die Bremse. Beinahe hätte er einen blöden Hund angefahren.
Ein Junge kam über den Rasen gestürzt. Durch die Fensterscheiben konnte Bernie ihn verzweifelt nach dem Hund rufen hören. »Jake! Jake!«
Der Hund rannte zu dem Jungen, und Bernie konnte den Wagen wieder in Gang setzen. Die Straße war so ruhig, daß er trotz der geschlossenen Wagenfenster hören konnte, wie der Junge brüllte: »Danke, Mister. Vielen Dank.«
Mac traf um halb zwei im gerichtsmedizinischen Institut an der Einunddreißigsten Straße Ost ein. Meghan war erst um zwei Uhr zu erwarten, aber er hatte angerufen und mit Dr. Kenneth Lyons, dem Chef des Labors, einen Termin ausgemacht. Er wurde in den vierten Stock geleitet, wo er in
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