Das fremde Gesicht
ich da etwas von Kusinen wissen?«
Catherine Collins biß sich auf die Lippen. »Entschuldige.«
Ihr Gesichtsausdruck änderte sich. »Wie du sagst, hat der Stiefbruder deines Vaters gedacht, daß du Annie bist. Hast du ihr so ähnlich gesehen?«
»Ja.« Meg blickte flehentlich auf Mac.
Er begriff, worum sie bat. »Meg«, sagte er, »ich glaube, es gibt keinen Grund, weshalb du deiner Mutter nicht sagen solltest, warum wir gestern nach New York gefahren sind.«
»Nein, das stimmt. Mom, da gibt es noch etwas, was du wissen mußt …« Sie schaute ihre Mutter unverwandt an, während sie ihr berichtete, was sie verheimlichen zu können gehofft hatte.
Als sie fertig war, saß ihre Mutter da und starrte an ihr vorbei, als versuche sie zu begreifen, was sie soeben gehört hatte.
Endlich sagte sie mit fester, aber nahezu monotoner Stimme: »Ein Mädchen ist erstochen worden, das wie du ausgesehen hat, Meg? Sie hatte einen Zettel vom Drumdoe Inn dabei, mit deinem Namen und deiner Büronummer in Dads Handschrift? Und Stunden, nachdem sie tot war, hast du ein Fax gekriegt mit den Worten: ›Versehen. Annie war ein Versehen.‹?«
Catherines Augen wurden starr und angstvoll.
»Du hast eine DNS-Analyse machen lassen, damit sie mit ihrer verglichen wird, weil du dachtest, du könntest mit dem Mädchen verwandt sein.«
»Ich hab’s gemacht, weil ich versuche, Antworten zu bekommen.«
»Ich bin froh, daß ich diese Fiona heute abend getroffen hab’«, brach es aus Catherine hervor. »Meg, wahrscheinlich findest du das nicht gut, aber heute nachmittag hat Bob Marron von der New Milforder Polizei angerufen …«
Meg lauschte dem Bericht ihrer Mutter über den Besuch von Fiona Black. Es ist bizarr, dachte sie, aber auch nicht bizarrer als alles andere, was in den letzten Monaten passiert ist.
Um halb elf erhob sich Mac, um zu gehen. »Wenn ich euch einen Rat geben darf, dann schlag’ ich vor, daß ihr beide schlafen geht«, sagte er.
Mrs. Dileo, Macs Haushälterin, saß vor dem Fernseher, als Mac nach Hause kam. »Kyle war so enttäuscht, daß Sie nicht heimgekommen sind, bevor er eingeschlafen ist«, sagte sie.
»Nun gut, ich geh’ dann.«
Mac wartete, bis ihr Wagen losfuhr, dann schaltete er die Außenbeleuchtung aus und verschloß die Haustür. Er ging hinein, um nach Kyle zu sehen. Sein kleiner Sohn lag wie ein Fötus zusammengekauert da, das Kissen unter dem Kopf zusammengeknautscht.
Mac verstaute die Decken besser um ihn herum, beugte sich nieder und küßte ihn von oben auf den Kopf. Kyle schien völlig in Ordnung zu sein, ein ziemlich normaler Junge, doch jetzt fragte sich Mac, ob er irgendwelche Signale übersah, die Kyle aussenden mochte. Die meisten anderen Kinder von sieben Jahren wuchsen mit einer Mutter auf. Mac wußte nicht genau, ob die jetzt so überwältigend in ihm aufsteigende Zärtlichkeit seinem Sohn galt oder dem kleinen Jungen, der Edwin Collins fünfzig Jahre früher in Philadelphia gewesen war. Oder aber Catherine und Meghan, die mit Sicherheit die Opfer der unglücklichen Kindheit ihres Mannes und Vaters waren.
Meghan und Catherine sahen Stephanie Petrovics erregte Stellungnahme vor der Manning Clinic in den Elf-Uhr-Nachrichten. Meg hörte, wie der Moderator berichtete, Stephanie Petrovic habe im Haus ihrer Tante in New Jersey gewohnt. »Die Leiche wird nach Rumänien überführt; die Gedenkmesse wird mittags in der rumänischen Kirche St. Dominic’s in Trenton stattfinden«, schloß er.
»Ich gehe zu der Messe hin«, teilte Meghan ihrer Mutter mit. »Ich möchte mit dem Mädchen reden.«
Am Freitag morgen um acht Uhr erhielt Bob Marron zu Hause einen Anruf. Ein illegal geparktes Auto, ein dunkelblauer Cadillac, hatte in Battery Park City am Südende von Manhattan, und zwar vor dem Gebäude, wo Meghan Collins’ Apartment lag, einen Strafzettel bekommen. Der Wagen war auf Edwin Collins angemeldet und schien derselbe Wagen zu sein, den er an dem Abend fuhr, als er verschwand.
Während Marron die Nummer von Staatsanwalt John Dwyer wählte, sagte er zu seiner Frau: »Die Hellseherin hat diesmal wirklich danebengehauen.«
Fünfzehn Minuten später informierte Marron Meghan, daß der Wagen ihres Vaters aufgetaucht sei. Er fragte, ob sie und Mrs. Collins zum Amtszimmer von John Dwyer kommen könnten. Er wolle sie beide gemeinsam so bald wie möglich sprechen.
36
Früh am Freitag morgen schaute sich Bernie abermals das Interview an, das er in der Manning Clinic aufgenommen hatte.
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