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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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mit Kyle die Halloween-Tour«, erinnerte ihn Meg. »Ich komm’ schon zurecht.« Sie lächelte die beiden Männer an. »Vielen Dank, ihr beiden, daß ihr heute abend gekommen seid. Es ist gut, in solch einer Zeit Freunde zu haben.«

    In Scottsdale, Arizona, seufzte am Samstag abend um neun Uhr Frances Grolier, als sie ihr Messer mit dem Birnbaumholzgriff niederlegte. Sie hatte den Auftrag, eine knapp vierzig Zentimeter hohe Bronzefigur von einem Jungen und einem Mädchen des Navajostamms als Geschenk für den Ehrengast eines Wohltätigkeitsdiners zu machen. Der Termin rückte immer näher, und Frances war höchst unzufrieden mit dem Tonmodell, an dem sie arbeitete.
    Es war ihr nicht gelungen, den fragenden Ausdruck einzufangen, den sie in den sensiblen Gesichtern der Kinder wahrgenommen hatte. Die Fotos, die sie von ihnen gemacht hatte, spiegelten ihn wider, aber ihre Hände waren schlicht nicht in der Lage, ihre klare Vorstellung, wie die Skulptur werden sollte, auszuführen.
    Das Problem war, daß sie sich einfach nicht auf ihre Arbeit konzentrieren konnte.
    Annie. Seit fast zwei Wochen schon hatte sie nichts von ihrer Tochter gehört. All die Mitteilungen, die sie auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hatte, waren ignoriert worden. In den letzten paar Tagen hatte sie bei Annies besten Freunden angerufen. Niemand hatte sie gesehen.
    Sie konnte sonstwo sein, dachte Frances. Vielleicht hatte sie einen Auftrag für einen Reisebericht an irgendeinem abgelegenen, gottverlassenen Ort angenommen. Als freiberufliche Reisejournalistin hatte Annie keine festen Arbeitszeiten.
    Ich habe sie dazu erzogen, unabhängig zu sein, sagte sich Frances. Ich habe sie dazu erzogen, frei zu sein, Wagnisse einzugehen, sich vom Leben das zu holen, was sie sich wünschte.

    Habe ich ihr das beigebracht, um mein eigenes Leben zu rechtfertigen? überlegte sie.
    Es war ein Gedanke, der ihr in den letzten Tagen wiederholt in den Sinn gekommen war.
    Es war zwecklos, sich heute abend noch länger mit der Arbeit abzumühen. Sie ging zum offenen Kamin und fügte ein paar Holzscheite aus dem Korb hinzu. Der Tag war warm und freundlich gewesen, doch jetzt war die Wüstennacht schneidend kalt.
    Das Haus war so still. Vielleicht würde es nie wieder das Herzklopfen der Vorfreude auf sein baldiges Kommen geben. Als kleines Mädchen hatte Annie häufig gefragt, weshalb Daddy so viel unterwegs war.
    »Er hat einen ganz wichtigen Job bei der Regierung«, erklärte ihr Frances dann.
    Als Annie heranwuchs, wurde sie noch neugieriger.
    »Was für ein Job ist das eigentlich, Dad?«
    »Ach, so eine Art Wachhund, Spatz.«
    »Bist du bei der CIA?«
    »Wenn das so wäre, würde ich’s dir nie sagen.«
    »Dann stimmt’s also, ja?«
    »Annie, ich arbeite für die Regierung und krieg’ eine Menge freier Flugmeilen auf diese Weise.«
    Mit ihren Erinnerungen beschäftigt, ging Frances in die Küche, tat Eis in ein Glas und goß einen großzügigen Schuß Scotch darauf. Nicht gerade die beste Art, Probleme zu lösen, sagte sie sich.
    Sie stellte den Drink ab, ging in das Bad beim Schlafzimmer und nahm eine Dusche, wobei sie die Bröckchen getrockneten Tons abschrubbte, die immer noch an ihren Händen klebten. Sie zog sich einen grauen Seidenpyjama über und einen Morgenrock, holte den Scotch und machte es sich auf der Couch vor dem Kamin bequem. Dann griff sie nach der Associated Press-Mitteilung , die sie aus der Seite zehn der Morgenzeitung gerissen hatte, eine Zusammenfassung des Berichts, den die New Yorker Verkehrsbehörden über die Katastrophe auf der Tappan Zee Bridge veröffentlicht hatten.
    Ein Teil davon lautete: »Die Zahl der Opfer, die in dem Unglück ihr Leben ließen, ist von acht auf sieben reduziert worden. Eine gründliche Suchaktion hat weder eine Spur der Leiche von Edwin R. Collins zum Vorschein gebracht, noch Bruchstücke seines Wagens.«
    Jetzt marterte Frances die Frage: Kann es denn sein, daß Edwin noch lebt?
    Er hatte sich am Morgen seiner Abreise über etwas Geschäftliches schrecklich aufgeregt.
    Ihn hatte zunehmend die Furcht geplagt, sein Doppelleben könne entlarvt werden und seine beiden Töchter würden ihn dann verabscheuen.
    Er hatte neuerdings Schmerzen im Brustkorb gehabt, die laut Diagnose auf Angstzustände zurückzuführen waren.
    Er hatte ihr im Dezember eine Inhaberobligation über Zweihunderttausend Dollar gegeben. »Falls mir irgendwas zustoßen sollte«, hatte er gesagt. War er, als er das sagte, schon auf der Suche nach

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