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Das fremde Gesicht

Titel: Das fremde Gesicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Macht zu haben. In der Lage zu sein, Ausdruck und Bewegungen und unbewußte kleine Gesten von jemandem festzuhalten, etwa die Art, wie Meghan sich das Haar hinters Ohr klemmte, wenn sie sich auf etwas konzentrierte. Jemanden so zu erschrecken, daß er schrie und heulte und wegrannte, wie es dieser Junge gerade eben gemacht hatte.
    Meghan zu beobachten, ihre Hände, ihr Haar …

    43
    Stephanie Petrovic hatte eine unruhige Nacht, bis sie endlich in tiefen Schlaf fiel. Als sie am Sonntag morgen um halb elf aufwachte, schlug sie gemächlich die Augen auf und lächelte. Nun würde doch noch alles gut werden.
    Ihr war eingeschärft worden, nie seinen Namen laut werden zu lassen, zu vergessen, daß sie ihn je getroffen hatte, doch das war noch, bevor Helene ermordet und damit um die Chance gebracht worden war, ihr Testament zu ändern.
    Er war am Telefon so freundlich zu ihr gewesen. Hatte versprochen, sich um sie zu kümmern. Er würde Vorsorge für die Adoption des Babys durch Leute treffen, die bereit waren, einhunderttausend Dollar dafür zu zahlen.
    »So viel?« hatte sie voller Freude gefragt.
    Er versicherte ihr, es werde keine Probleme geben.
    Er beabsichtigte auch, ihr ein Einwanderungsvisum zu besorgen. »Es wird zwar eine Fälschung sein, aber keiner wird je einen Unterschied bemerken«, hatte er gesagt. »Ich schlage allerdings vor, daß Sie irgendwohin ziehen, wo Sie niemand kennt. Ich möchte nicht, daß Sie jemand wiedererkennt. Selbst in so einer großen Stadt wie New York laufen sich die Leute über den Weg, und in Ihrem Fall würden sie dann anfangen, Fragen zu stellen. Sie können’s doch mit Kalifornien probieren.«
    Stephanie wußte, daß ihr Kalifornien gefallen würde.
    Vielleicht konnte sie eine Stelle in einer Schönheitsfarm bekommen. Mit einhunderttausend Dollar konnte sie sich die Ausbildung verschaffen, die sie brauchte. Oder vielleicht bekam sie ja auch gleich einen Job. Sie war wie Helene. Eine Kosmetikerin zu sein, lag ihr im Blut. Sie liebte diese Art Arbeit.
    Er würde ihr heute abend um sieben Uhr einen Wagen schicken. »Ich möchte nicht, daß die Nachbarn mitbekommen, wie Sie ausziehen«, hatte er zu ihr gesagt.
    Stephanie wäre am liebsten noch im Bett liegen geblieben, aber sie war hungrig. Nur noch zehn Tage, und dann ist das Baby da und ich kann auf Diät gehen, malte sie sich aus.
    Sie duschte sich, zog dann die Umstandskleidung an, die sie inzwischen nicht mehr ausstehen konnte. Dann machte sie sich ans Packen. Helene hatte Gepäckstücke mit dekorativem Webmuster gehabt. Warum sollte sie die nicht haben? überlegte Stephanie. Wer verdiente sie mehr?
    Wegen der Schwangerschaft hatte sie so wenig anzuziehen, aber sobald sie wieder ihre normale Figur hatte, konnte sie wieder Helenes Sachen tragen. Helene hatte sich zurückhaltend gekleidet, aber all ihre Kleider waren teuer und geschmackvoll. Stephanie ging den Schrank und die Schubladen durch und verwarf nur, was ihr absolut nicht gefiel.
    Helene hatte einen kleinen Tresor unten in ihrem Schrank. Stephanie wußte, wo die Zahlenfolge verwahrt war, und so öffnete sie ihn. Es war nicht viel Schmuck darin, aber einige Stücke waren wirklich erstklassig, und sie steckte sie in einen Kosmetikkoffer.
    Es war zu schade, daß sie nicht die Möbel mitnehmen konnte. Andererseits wußte sie von Fotos, die sie gesehen hatte, daß die Leute in Kalifornien keine altmodischen Polstermöbel und dunkles Holz wie Mahagoni benutzten.
    Sie ging allerdings durchs Haus und suchte sich ein paar Dresdener Porzellanfiguren zum Mitnehmen aus. Dann fiel ihr das Tafelsilber ein. Der große Kasten war zu schwer zum Tragen, deshalb steckte sie das Besteck in Plastiktüten und rollte Gummibänder herum, damit es im Koffer nicht klapperte.
    Der Anwalt, Mr. Potters, rief um fünf Uhr an und erkundigte sich nach ihrem Befinden. »Wie wär’s, wenn Sie mit meiner Frau und mir zu Abend essen, Stephanie?«
    »Ach, vielen Dank«, sagte sie, »aber ich krieg’ Besuch von jemandem aus der Rumänischen Gesellschaft.«
    »Nun, gut. Wir wollten nur nicht, daß Sie sich einsam fühlen. Vergessen Sie nicht, mich anzurufen, wenn Sie irgend etwas brauchen!«
    »Sie sind so freundlich, Mr. Potters.«
    »Nun, ich wünschte nur, ich könnte mehr für Sie tun.
    Bedauerlicherweise sind mir die Hände gebunden, was das Testament angeht.«
    Ich brauche Ihre Hilfe nicht, dachte Stephanie, während sie einhängte.
    Jetzt war es an der Zeit, den Brief zu schreiben. Sie verfaßte drei

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