Das fremde Haus
Eigentümer, ein freundliches Ehepaar mittleren Alters, hatten Simon auf einen Kaffee hereingebeten und wirkten enttäuscht, als er sagte, dass sei nicht nötig, er habe nur eine kurze Frage an sie. Sie hatten das Haus 2001 brandneu gekauft, und seitdem war es nie auf dem Markt gewesen. Ja, sie erinnerten sich, dass Nummer 18 im Jahr 2003 zum Verkauf stand. Es war nach ein paar Wochen weg, erzählten sie Simon, und dasselbe passierte, als es im letzten Jahr wieder auf den Markt kam. »Wir haben sogar überlegt, ob wir es nicht kaufen sollten – beide Male. Es ist eleganter als unser Haus, und die Räume sind größer. Unglücklicherweise spiegelte sich das auch im Preis wider. Und als wir noch mal darüber nachdachten, fanden wir, dass es doch verrückt sei, auf die andere Straßenseite zu ziehen – obwohl das eigentlich Unsinn ist, oder? Das ist, als würde im Restaurant ein anderer Gast das bestellen, worauf man eigentlich Lust hätte, und man denkt sich, oh, jetzt, wo die sich das bestellt hat, kann ich es nicht mehr nehmen, und man entscheidet sich schließlich für ein Gericht, das man nicht halb so gern mag!«
Simon hatte leicht verwirrt genickt. Er neigte dazu, Restaurants zu meiden, fand aber, er hätte eigentlich wissen müssen, wovon der Mann sprach, doch er wusste es nicht. Er brachte viel zu viel Zeit damit zu, aus reiner Höflichkeit zu Bemerkungen zu nicken, die für ihn keinerlei Sinn ergaben.
»Ich muss Ihnen eine persönliche Frage stellen«, sagte er zu Bowskill.
»Nur zu.«
»Ihre Eltern.«
Die Reaktion war unverkennbar: augenblickliche Verbitterung. Grollte er Simon, weil er danach gefragt hatte, oder ging es um Mr und Mrs Bowskill senior? Es war nicht zu erkennen. Dank Connie wusste Simon ein wenig über die Eltern. Sie hießen Nigel und Barbara und wohnten in Bracknell, Berkshire. Sie hatten eine eigene Firma: irgendwas mit der Herstellung von Lasern, die für Fingerabdrücke genutzt wurden.
Bowskill hatte die Fassung wiedergewonnen. »Lassen Sie mich raten«, sagte er. »Connie hat Ihnen erzählt, dass wir keinen Kontakt mehr haben. Ich nehme an, sie hat Ihnen auch erzählt warum?«
»Sie sagte, sie hätte es nie so richtig verstanden.«
»Das ist doch Bl–« Bowskill unterdrückte seinen Zorn. Ein gequältes Lächeln ersetzte die finstere Miene. »Das ist einfach nicht wahr. Connie weiß sehr gut, was passiert ist.«
»Macht es Ihnen etwas aus, es mir zu erzählen?«, fragte Simon.
»Ich verstehe nicht, wieso Sie das interessiert. Was hat das denn mit dem Ganzen zu tun?«
»Es interessiert mich eben.« Simon versuchte, es ganz beiläufig klingen zu lassen. Es gab keinen Grund, Bowskill zu erzählen, dass er ihn hauptsächlich deshalb hatte treffen wollen. »Als jemanden, dessen eigene Eltern eher schwierig sind …«
»Aber wenn es hart auf hart kommt, wären Ihre Eltern für Sie da, oder? Im Notfall würden sie tun, was immer nötig ist – sie würden sich um Sie kümmern.«
Simon hatte noch nie darüber nachgedacht. Früher, während seiner Kindheit, hatte seine Mutter ihn mit ihrer Fürsorge schier erdrückt. Sie hatte ihn behandelt, es wäre er aus Glas und könne zerbrechen, wenn er irgendwas Unüberlegtes tat, wie beispielsweise einen Freund besuchen. Inzwischen war es schwer vorstellbar, dass Kathleen sich um irgendjemand kümmern könnte. Sie hatte jede Autorität schon vor langer Zeit eingebüßt. Zwar war sie erst einundsechzig und hatte keine gesundheitlichen Probleme, aber sie bewegte sich und sprach wie eine gebrechliche Alte, die mit jedem Schritt der Auslöschung näherschlurft. Simon hatte sich oft die Frage gestellt, was er wohl von ihr halten würde, wenn sie eine Fremde wäre. Wäre er aufgefordert worden, über ihr Alter und ihre Lebensgeschichte zu spekulieren, hätte seine Antwort gelautet: bestimmt an die achtzig, wurde vermutlich irgendwann von einer Bande krimineller Jugendlicher überfallen und mit dem Messer bedroht, was sie um ihren Lebenswillen gebracht hat.
Er setzte gerade zu der Erwiderung an, dass er sich in einer völlig verzweifelten Lage an eine ganze Reihe von Leuten wenden würde, einschließlich völlig Fremder, bevor er zu seinen Eltern gehen würde, als Bowskill, der sich für sein Thema erwärmte, fortfuhr: »Was sind das für Eltern, die ihrem Kind nicht helfen wollen? Geschwister habe ich keine, es ist also nicht so, als würde irgendjemand mit mir um ihre Aufmerksamkeit wetteifern. Und ich habe sie ja schließlich nicht gebeten,
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