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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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gehabt, sich über die Einzelheiten auszutauschen. Also warum riet ihm sein Instinkt, sein Möglichstes zu tun, um ein Zusammentreffen der beiden Frauen zu verhindern?
    Er konnte nicht aufhören, an etwas zu denken, das Jackie Napier bei ihrer Vernehmung gesagt hatte, etwas über die Frau, die vorgab, Selina Gane zu sein und die Bentley Grove 11 zum Verkauf angeboten hatte. Sie wusste, sie brauchte nur davon zu reden, dass kein Mensch so aussieht wie auf seinem Passfoto. Wenn sie mich dazu bringen würde, an all die Leute zu denken, bei denen das stimmte, würde sie mich nicht mehr überzeugen müssen – die Arbeit würde ich selbst erledigen. Das ist doch eins dieser Dinge, die jeder sagt, oder? »Er sieht überhaupt nicht so aus wie auf seinem Passfoto, ein Wunder, dass es bei der Passkontrolle nie Probleme gibt.«
    Trog die Erinnerung ihn? Nein, er war sich ziemlich sicher, dass das ihre Worte gewesen waren.
    Er machte den Mund auf, um Kate zu fragen, ob er sich Probleme einbildete, die gar nicht existierten, aber sie hatte bereits den Raum verlassen.
***
    »Wählen Sie irgendeine Zahl zwischen eins und neununddreißig.«
    »Sechzehn«, sagte Simon. Sein Hochzeitstag.
    Professor Sir Basil Lambert-Wall fuhr langsam mit dem Zeigefinger an den Büchern im Regal entlang und zählte eins nach dem anderen ab. Als er zum sechzehnten Buch kam, ruckelte er es etwas nach vorn, hängte seinen Gehstock über die Rückenlehne des nächstbesten Stuhls und machte sich daran, den schweren Wälzer mit beiden Händen zu ergreifen. Simon tat einen Schritt nach vorn, um ihm zu helfen, und bereute die Sentimentalität, die dazu geführt hatte, dass er sich das eindeutig dickste Buch im ganzen Regal ausgesucht hatte. Die Flüsterer hieß es. Der Untertitel lautete: Leben in Stalins Russland .
    »Bleiben Sie, wo Sie sind!«, blaffte der Professor. Seine Stimme war kräftig und sonor für einen so schmächtigen Mann. »Ich komme sehr gut allein zurecht.« Er gab eine Reihe schnaufender Laute von sich, während er den Sessel umschiffte und sich darauf niederließ. Unter weiterem Schnaufen legte er sich das Buch auf dem Schoß zurecht.
    Simon verfolgte seine Anstrengungen, versuchte nicht gequält zusammenzuzucken und hoffte, Lambert-Walls schmale Handgelenke würden nicht brechen. Er machte sich Vorwürfe, dass er nicht geahnt hatte, was der alte Mann vorhatte; dann hätte er sich für die Zahl fünfzehn und das schmale Bändchen La Rochefoucauld: Maximen entschieden. Es herrschte kein Mangel an Büchern, unter denen man wählen konnte, sämtliche Wände waren mit Büchern vollgestellt. Es gab Bücherregale über der Tür, über und unter beiden Fenstern – alle voller Bücher. Zwischen den beiden Sesseln und dem Sofa befanden sich drei Zeitschriftenstapel. Zuoberst auf einem der Stapel lag eine Ausgabe von The Economist , oben auf dem zweiten eine Zeitschrift, die sich PN Review nannte – eine Literaturzeitschrift. Auf dem dritten Stapel standen zwei leere Becher. Simon konnte den Titel der Zeitschrift nicht erkennen, die darunter lag, aber in einer Ecke war ein Bild der Freiheitsstatue.
    »Eine gute Wahl«, sagte der Professor, nachdem er wieder zu Atem gekommen war. » Die Flüsterer ist ein außergewöhnlich gutes Buch. Jetzt wählen Sie bitte eine Zahl zwischen eins und sechshundertsechsundfünfzig.« Er blätterte durch die Seiten.
    »Ich halte Sie doch nicht davon ab, ins Bett zu gehen?«, fragte Simon. Es war der rote Flanellmorgenmantel, der ihm Schuldgefühle einflößte, der grau gestreifte Schlafanzug, die blässlichen Fußgelenke, die aus braunen Pantoffeln ragten. Obwohl dieser Aufzug nicht notwendigerweise die Schlafenszeit anzeigte, Lambert-Wall war genauso gekleidet gewesen, als Simon neulich gegen Mittag vorbeigekommen war.
    »Es ist ja noch nicht mal zehn«, verwahrte sich der alte Mann, und Simon kam sich vor wie ein überfürsorglicher Vater. »Ich schlafe zwischen vier und neun. Und ich schreibe zwischen elf und Viertel vor vier, also solange wir gegen elf fertig sind …« Er warf einen Blick auf die Digitaluhr, die auf dem Fensterbrett stand, und schaute Simon mit fragend erhobenen Augenbrauen an. Der nickte. »Gut. Also … die Zahl?«
    »Elf.«
    Der Professor lachte. »Gut, elf. Und jetzt … bitte eine Zahl zwischen eins und vierunddreißig.«
    »Zweiundzwanzig.« Charlies Geburtstag.
    »Ausgezeichnet. Und jetzt noch eine Zahl zwischen eins und … vierunddreißig.«
    »Zwölf.« Simons Geburtstag. Er sah

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