Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
Vom Netzwerk:
Nachnamens hatte ihr seitdem keine Ruhe gelassen. Wie hielten andere verheiratete Frauen es? Charlies Nachbarin Marion Gregory, Kate Kombothekra, Stacey Sellers, Debbie Gibbs – sie alle hatten ihren Namen aufgegeben. Olivia, Charlies Schwester, die nächstes Jahr heiraten würde, versuchte Dominic, ihren Zukünftigen, noch davon zu überzeugen, dass sie sich beide Zailer-Lund nennen sollten. »Oder er kann seinen Namen behalten, und ich nenne mich allein Zailer-Lund«, hatte sie trotzig erklärt. »Wenn Dom sich die modernden Fesseln veralteter Traditionen anlegen will, ist das seine Sache. Er kann mich nicht daran hindern, einen progressiveren Weg zu gehen.« Da sie Olivia kannte, vermutete Charlie, dass die Entschlossenheit ihrer Schwester weniger mit Prinzipien und mehr mit dem Wunsch nach einem vornehmen Doppelnamen zu tun hatte.
    Charlie Zailer-Waterhouse. Nein, kam gar nicht infrage. Im Gegensatz zu Liv hegte sie kein Verlangen nach den Insignien der Aristokratie. Für sie wäre ein Doppelname nur peinlich, und außerdem würde sie damit jedem im Präsidium Gelegenheit geben, sie zu verarschen.
    »Warum suchen wir uns nicht einen neuen Nachnamen aus?«, rief sie Simon zu, der im Pool war – oder vielmehr auf dem Pool. Er lag auf dem Schlauchboot, das sie bei ihrer Ankunft auf dem Wasser tänzelnd vorgefunden hatten, ließ Arme und Beine ins Wasser hängen und trieb ziellos dahin. Nur gelegentlich setzte er die Hände als Ruder ein, um zu wenden oder ein paar Züge zu paddeln. Ein oder zwei Mal hatte er sich vom Rand abgestoßen, um festzustellen, ob er bis zum anderen Beckenrand gleiten konnte. Konnte er nicht, der Pool war zu groß.
    Charlie beobachtete ihn seit anderthalb Stunden heimlich, während sie so tat, als läse sie ein Buch. Was ging nur in seinem Kopf vor? »Simon?«
    »Hm?«
    »Du bist meilenweit entfernt.«
    »Hattest du etwas gesagt?«
    »Warum sollte ich deinen Namen annehmen, suchen wir uns doch einen neuen Nachnamen aus. Wir beide.«
    »Sei nicht albern. Das macht niemand.«
    »Charlie und Simon Herrera.«
    »Ist das nicht Domingos Nachname?«
    »Genau. Wir könnten einen neuen Brauch ins Leben rufen: der Name des ersten Menschen, der einem auf der Hochzeitsreise begegnet, wird der gemeinsame Ehename.« Domingo war der Verwalter der Villa, ein muskulöser, tief gebräunter junger Kettenraucher, der sehr wenig Englisch sprach und offenbar in einem kleinen Holzhaus im Chalet-Stil hinten im Garten wohnte. Er hatte Simon und Charlie vom Flughafen abgeholt, sie nach »Los Delfines« gefahren und ihnen das Haus und die Anlagen gezeigt, ohne vorher zu fragen, ob sie damit nicht bis morgen warten wollten, vielleicht weil ihm das Vokabular dazu fehlte. Die Besichtigungstour hatte fast eine Stunde gedauert. Domingo hatte darauf bestanden, vor jedem Haushaltsgerät stehen zu bleiben, darauf zu zeigen und dann in völligem Stillschweigen zu demonstrieren, wie es benutzt werden sollte.
    Charlie hatte das nicht gestört. Sie war durch das Holztor in der hohen, mit Hohlpfannen gedeckten weißen Mauer getreten, hatte die warme, würzige Luft im Garten eingesogen, den Pool gesehen, der erleuchtet war wie ein riesiger schimmernder Aquamarin, und sich auf der Stelle in »Los Delfines« verliebt. Wenn sie zuschauen musste, wie Domingo vor Schlüssellöchern vormachte, wie der Schlüssel im Schloss gedreht werden sollte und wie man die Alarmanlage ein- und ausschaltete, damit sie vierzehn Tage hierbleiben durfte, war das ein Preis, den sie nur zu gern zu zahlen bereit war.
    Alles an diesem Ort war vollkommen. So vollkommen, dass Charlie sich besorgt fragte, wie sie und Simon sich im Gegensatz dazu präsentierten. Was, wenn das Einzige, was hier nicht stimmte, sie selbst waren? Sie wusste, es war dumm, sich mit anderen Leuten zu vergleichen – sich und Simon mit anderen Ehepaaren zu vergleichen –, aber es war auch ziemlich schwierig, es zu vermeiden. Charlie kannte keine anderen Neuvermählten, die ihre Hochzeitsreise angegangen waren wie ehemalige Mafiosi, die ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen wurden. Kathleen, Simons Mutter, hatte panische Angst vor dem Fliegen – wie vor den meisten Dingen im Leben. Die Vorstellung, ihr Sohn könne in ein Flugzeug steigen, hätte sie nicht ertragen. Simon hatte ihr also erzählt, er und Charlie würden mit der Bahn nach Torquay fahren, um dort ihre Flitterwochen zu verbringen. Kathleen hatte wissen wollen, wo sie absteigen würden, damit sie ihn im Notfall erreichen

Weitere Kostenlose Bücher