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Das fremde Haus

Das fremde Haus

Titel: Das fremde Haus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophie Hannah
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haben.«
    »Nein, tue ich nicht«, erwidere ich ungeduldig, weil er es nicht kapiert, obwohl es so offensichtlich ist. »Ich weiß es nur unterschwellig. Ich habe es verdrängt: den Mord, dass ich die Adresse in Kits Navi eingegeben habe – alles. Soweit mir bekannt ist, muss Kit die Adresse in sein Navi eingegeben haben. Doch er streitet es ab, und ich bin verständlicherweise misstrauisch. Ich fange an, fast jeden Freitag nach Cambridge zu fahren, weil ich versuchen will, ihn auf frischer Tat zu ertappen.« Ich zucke zusammen, als ein Bild von blutgetränkten Händen sich in meinen Kopf schiebt. Rote Streifen bis über die Handgelenke, bis hoch zu den Ellbogen.
    »Alles in Ordnung?«, fragt Sam. »Möchten Sie etwas Wasser?«
    »Nein, mir geht’s gut«, lüge ich. »Eines Tages – am letzten Freitag – sehe ich, dass im Garten von Bentley Grove 11 ein Verkaufsschild steht. Ich will mir unbedingt die Fotos ansehen, die der Makler ins Netz gestellt hat – um festzustellen, ob ich irgendetwas, das Kit gehört, in einem der Zimmer entdecken kann. Ich finde nichts – kein Fitzelchen Beweis. Fast wäre ich beruhigt wieder ins Bett gestiegen: alles unter Kontrolle. Bis zu diesem Punkt habe ich erfolgreich jedes Bewusstsein meiner Tat unterdrückt, aber der Anblick der Fotos auf dem Monitor ist zu viel für mich – die Erinnerung kommt wieder hoch, und ich sehe die …« Ich halte inne und schlucke. »Ich sehe den Tatort vor mir, so klar und deutlich, als wäre er im Netz. Ich erkenne nicht, dass es eine mentale Projektion ist, sondern glaube fest, es auf dem Monitor gesehen zu haben.«
    Kit weint jetzt ganz offen.
    »Ich erkläre nur, was du denkst. Ich weiß, dass du das denkst«, teile ich ihm mit.
    »Mal sehen, ob ich das richtig verstanden habe«, sagt Grint. »Sie töten eine Frau und schaffen es, die Erinnerung daran vor sich selbst zu verbergen, sodass sie die meiste Zeit keine Ahnung von Ihrer Tat haben. Es gibt nur zwei Gelegenheiten, bei denen das schuldbeladene Unterbewusstsein zur Oberfläche durchbricht: einmal, als Sie die Tatort-Adresse in das Navigationssystem eingeben und dann erneut, als Sie auf der Roundthehouses-Website eine Tote sehen, die gar nicht dort war.«
    »Das ist das, was Kit denkt, ja.«
    Grint schiebt seinen Stuhl vom Tisch weg, lehnt sich zurück und legt die Füße übereinander. »Als Sie sich auf diesem Immobilienportal das Haus ansehen, sind Sie also auf einer oberflächlichen Ebene auf der Suche nach Hinweisen darauf, dass Ihr Mann sich dort aufgehalten hat. Gleichzeitig, was Sie sich selbst gegenüber aber nicht eingestehen, suchen Sie in Wirklichkeit nach irgendwelchen Spuren, die Sie mit dem Mord in Verbindung bringen könnten, den Sie begangen haben.«
    Ich lächle gezwungen. »Absurd, nicht wahr?«
    »Und wer ist die Tote? Warum haben Sie die Frau umgebracht?«
    »Ich habe sie nicht umgebracht. Kit denkt, dass ich das getan habe. Ich hatte die Hoffnung, dass Sie ihm mitteilen würden, das Szenario, das ich eben geschildert habe, sei der größte Blödsinn, den Sie je gehört haben.«
    Grint trommelt mit den Fingern auf die Stuhllehne. »Posttraumatischer Gedächtnisverlust ist ein praktischer Kunstgriff in der Literatur, aber im wahren Leben ist er mir noch nie untergekommen«, erklärt er nach einer kurzen Pause. »Obwohl mir etliche Kriminelle begegnet sind, die so taten, als litten sie darunter.«
    »Was meinen Sie?«, frage ich Sam.
    »Sie wiederholen ständig, das sei es, was Ihr Mann denkt …«
    »Oh, er glaubt, dass es so war – schauen Sie ihn sich doch an! Hat er es etwa abgestritten? Oder vielmehr, er hätte gern, dass wir glauben , dass er das glaubt. Vor allem hätte er gern, dass ich glaube, dass er das glaubt – nicht wahr? Du willst, dass ich mich entsetzt frage, ob ich etwa die Kontrolle über mein eigenes Gehirn verloren habe – du willst, dass ich Angst habe, ich könnte jemanden getötet haben, aber dass die Erinnerung daran so tief vergraben ist, dass ich nichts mehr von meiner Tat weiß!«
    Kit vergräbt das Gesicht in den Händen. »Kann nicht jemand dafür sorgen, dass das aufhört?«, murmelt er.
    »Ich glaube, wir sollten …« Sam versucht, Kit zu Hilfe zu kommen, aber Grint hebt einen Finger, um ihn zum Schweigen zu bringen. So steht es also: Grint und ich gegen Sam und Kit. Zwei Leute in diesem Raum wollen das Schlimmste erfahren, zwei wollen das nicht.
    »Gleich wird Kit Ihnen erzählen, dass ich ein höchst aktives Unterbewusstsein habe«,

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