Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
der Rückfahrt tritt die Hoffnung schon wieder hervor.
Das könntest du im Katalog nicht schreiben.
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Inzwischen war über Hamburg die Dämmerung niedergesunken. Abends wurden die Museen geschlossen. Die Heizung gewährleistet für die Räume, in denen die Bilder hängen, auch in der Nacht gleichbleibende Temperatur.
Eisblaue Augen
Viele der Beamten im Reichssicherheitshauptamt ( RSHA ), die, als wären sie Haudegen, zu Sondereinsätzen in den Osten kommandiert waren, stammten aus Süddeutschland und besaßen keine blauen Augen. Einer aber, ein Sturmführer, verfügte über eisblaue Augen. Diese Bezeichnung kam von Bannarzt Dr. Meier, der von einer HJ -Formation an die Einsatzgruppe D auf der Krim ausgeliehen war. Der Sturmführer trug diese Augen, die ihm begehrliche maskuline Blicke, aber auch die von Nachrichtenhelferinnen einbrachten, bei der Erfüllung seiner Dienstpflichten im Frontgebiet wie eine Auszeichnung, einen Orden. Dabei galt dieser Sturmführer als »eher gemütlich«. Auch war er mit keinen Grausamkeiten beauftragt. Die Mehrzahl seiner Stunden saß er in der Schreibstube, da er für die Organisierung des Nachschubs zuständig war. Der Eindruck von Kälte, den die Augen erzeugten, blieb Schein.
Die Feststellung, daß das Wort »kaltherzig« für Einsätze im Osten ein falschgewählter Ausdruck sei, gehörte zu den Steckenpferden von Kamerad Ohlendorf. Bei entschlossener Durchführung eines Befehls, auch wenn sich im Inneren des Mannes ein Widerstand regt, bei kaltblütigem Verhalten also, pocht das Herz heftiger, beharrte er. Wir haben bei der Untersuchung eines Exekutionskommandos nach einer Erschießung Fälle von Bluthochdruck und erhöhter Temperatur festgestellt.
Auch mit dem Charakter, dem Gesichtsausdruck, der Körperhaltung hat die Funktionstüchtigkeit im Einsatz wenig zu tun. Ein Major der Schutzpolizei aus Stuttgart, Vater von fünf Kindern, mit ruhigen, dunklen Augen, die herzlich wirken konnten, ließ in einer Vorstadt von Simferopol an einem Spätnachmittag befehlsgemäß 43 Geiseln erschießen und übergab den Exekutionsort »besenrein« an eine Einheit der Wehrmacht. Das hatte er, so berichtet Ohlendorf, vorher noch nie gemacht. Er habe es sich bei einer Dienstausübung auch nicht vorstellen können. Dennoch habe er gehorcht und – unter Anstrengung – den Auftrag ausgeführt. Mit seinem persönlichen Empfinden, folgerte Ohlendorf, und seinem Charakter habe das Ergebnis wenig zu tun.
Die Härte, die wir als »eiskalt« bezeichnen, ergänzte Ohlendorf (und er führte das später bei seiner Vernehmung im Nürnberger Prozeß näher aus), ist vielmehr eine »Sache der Organisation«. Die Kälte ist eine Form der Unausweichlichkeit, die nur im Verband erzielt werden kann. So stellt sich eine »unabweisbare Notwendigkeit« zum Beispiel durch einen Anruf aus dem Büro des Reichsführers SS her. Es ist gleich, ob der zum Gehorsam Verpflichtete, der den Befehl entgegennimmt, dies mit »kaltem Blick« oder »warmherzig« tut. Nur gehorchen müsse er. Ja, fuhr Ohlendorf fort, wir vom RSHA würden einen Kameraden, der persönliche Lust an einer grausamen Aktion verspürt, von seinem Posten entfernen. Er soll dienstlich und nicht persönlich empfinden. Für die Abweichler, die ohne organisatorischen Grund zur Grausamkeit neigen, gibt es einen Vermerk in der Personalakte, der die Beförderung eines solchen Mannes dauerhaft verhindert.
Wiederherstellung von Hoffnung für den Ruhm Rußlands im Norden
Es ist schwer für Putins und Medwedews Rußland, in der Nordpolarforschung an den Ruhm der Sowjetunion anzuknüpfen. Wie großartig erschien im Rückblick die Zeit, als russische Eisbrecher die Restbesatzung des abgestürzten Zeppelins von General Nobile, Stolz des faschistischen Italiens, bargen!
Vor kurzem kam noch einmal ein Funken Hoffnung auf. Schon seit Monaten bewegte sich eine ausgedehnte Eisscholle im Reigen anderer großer Schollen um den Pol. Auf dieser Eisfläche war eine russische Forschungsstation aufgebaut worden, im Spätherbst bewegte sie sich nordöstlich von Grönland. In einer der Sturmnächte aber brach das Eis dieser Kristallinsel in katastrophaler Weise auseinander. Es blieb rätselhaft, warum auch die Nachbarschollen verschwunden waren.
Dr. Artur Tschilingarow, Vizepräsident der Duma und seit dreißig Jahren »Schatten-Chef« aller Aktivitäten Rußlands im Polarraum, wurde von Putin beauftragt, die auf einer Restscholle verharrenden Mitglieder der
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