Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

die in unseren Registern seit 1453 aufgeführt sind, wurden 1923 protokollgerecht ohne Verzicht von der türkischen Republik übernommen. Oft schon wurden Länder, die sich wie Libyen in Not befanden, überraschend durch Engel, Gottesboten, durch die Wiedergeburt früherer Herrscher oder durch plötzliche Funde in den historischen Registern errettet und in eine neue Zukunft geführt. Wie Wolken, die sich auflösen am Abendhimmel und das Firmament dem Blick freigeben, legt sich ein Gewölbe aus früheren Zeiten über eine ausweglose Realität, und das vermag zu zaubern.
Anfang der saudischen Konterrevolution
    Der saudische Geheimdienst und die erfahrenen Diplomaten dieses Landes hatten die Zeit bis Anfang April 2011 genutzt. Strobe Talbott III . behauptet, es sei die Folge einer saudischen Intrige gewesen, daß Frankreich sich mit seinen Luftangriffen auf Libyen an die Spitze gesetzt hat. Auch der Stab von Präsident Obama sah das so. Es war die Absicht der saudischen Seite, daß die USA ihre Unlust, in Libyen zu handeln, öffentlich vorführen sollten; sie würden das Gesicht verlieren, wenn andere, die Franzosen und die Briten, sich an Stelle der Führungsmacht engagierten. Im Schatten des Angriffs aber, an dem sich die USA dann widerwillig doch beteiligen mußten, marschierten die schlauen Metternich-Schüler aus Riad (alle ausgebildet an amerikanischen Eliteuniversitäten) in Bahrain ein. In gewissem Sinne war die ganze Aktion gegen Gaddafi ein Vorwand, so Strobe Talbott III ., um die Nebelwand zu bilden, hinter der die Pazifikation falschgläubiger Schiiten, illoyaler Zuwanderer aus Bahrain, unbeachtet von der Weltöffentlichkeit durchgeführt werden konnte.

    Abb.: Lucius Cornelius Sulla Felix (um 138 /134 bis 78 v. Chr.), der »Friedhofsruhe« in Rom herstellte, indem er die Anhänger des revolutionswilligen Marius proskribierte. →
Das Prinzip Sulla
    Eine bürgerkriegsähnliche Situation in Rom. Landenteignungen, zugunsten von Veteranen des Marius auf Antrag von Tribunen zugeteilt, haben zur Fraktionsbildung im Senat geführt. Zeichen möglicher Volksherrschaft. Da marschieren die Legionen des Imperators Sulla von Osten heran. Nachdem er Rom besetzt hat, nimmt er das Amt des Diktators an. Durch seine Proskriptionen (öffentliche Verfügungen dahingehend, welche seiner Gegner sterben sollen) dezimiert er die Popular-Parteien, ganze Familien der Aristokratie und der Ritterschaft rottet er aus. Am Ende seiner Herrschaft erzwungene Ruhe um ihn her. Inmitten der »Friedhofsruhe« gibt er, noch immer ein kräftig gebauter Mann, sein Amt zurück. Er gilt als ein Tyrann, der es sich leisten kann, seine Macht aufzugeben, und der dennoch überlebt.
Neuer Eintrag im Handbuch
    Im Handbuch für counter-insurgency des Pentagon ist dieser Tage ein Kapitel über »Revolution« eingefügt worden. Wie leicht kann eine US -Truppe in eine solche Lage geraten. Für den Offizier ist es aber auch von Bedeutung, daß er (im Club und in der Freizeit) in einem Gespräch über diesen Fragenkreis, der im 21. Jahrhundert überraschende Aktualität erhält, Rede und Antwort zu stehen weiß. In der Konversation muß er seinen Mann stehen. Höflich muß er reagieren können, wenn das Wort Revolution fällt.
Lebenslauf von Reformen
    Eine gewaltige Schubkraft hatte die protestantische Reformation. Ihren Namen entlieh sie den 86 Universitätsreformen des 15. Jahrhunderts und der Reformatio des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, welche permanent war und nichts Praktisches bewirkte. Machtvoll wiederum die Reformpäpste, die erbittert gegen Ämterpatronage und die Arroganz deutscher Kaiser kämpften. Effektiv war die Reform der bayerischen Verwaltung nach französischem Modell durch den Grafen von Montgelas. Bis heute spürbar. Auch über Wilhelm von Humboldts Bildungsreform und die Staatsreform durch den Freiherrn vom Stein nach Preußens bitterster Niederlage wird gesprochen.
Wörtlich übersetzt heißt Revolution »Umwälzung«, »Wegwälzen«
    Die Theologin Dr. Hildegard Franzen aus Bad Oeynhausen, die sich für den Verbleib ihrer Kollegin Käßmann im Amt bis zuletzt eingesetzt hatte, hat den Revolutionsbegriff für die EKD in einem Gutachten untersucht.
    Revolution bezeichnet zunächst das WEGWÄLZEN , schreibt sie. Wegwälzen des Steins, der vor dem Grab Christi liegt. Dann überhaupt ist Revolution Wiederkehr glücklicher Zustände, also Rückkehr. Da sie ihren Sitz in den Menschen selbst hat, als Hoffnung, Sehnsucht und