Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)
ausgelöst durch Philhellenen in Rußland, England und Deutschland, leidet der Euro noch heute, so der Türke sarkastisch. Wegen des Mißverständnisses, die Bewohner der Moldau (native Rumänen, sozusagen Spätrömer) seien Griechen, rückte Fürst Ypsilantis mit seinem »heiligen Bataillon« (450 Freiwilligen, bestehend aus Studenten und bewaffneten rumänischen Bauern) in das osmanische Gebiet ein und scheiterte gräßlich, schon weil die Rumänen sich gegen die Griechen wandten, die bis dahin als türkische Statthalter die Provinz verwaltet hatten.
Auf der Peloponnes, der Provinz Morea des Osmanischen Reiches, entwickelte sich von 1821 bis zum Frieden von Adrianopel 1829 ein endloser Krieg, der entscheidungslos blieb, bis drei Großmächte sich zusammenfanden und eine türkisch-ägyptische Flotte vernichteten. Etwas Ähnliches könne man sich bei einer Pattsituation zwischen den Leuten von Benghasi und Gaddafis Truppen kaum vorstellen. Zwei Beobachtungen seien relevant, fuhr der gesprächige Türke fort, den die Eindrücke des Abenddisputs nicht zur Ruhe kommen ließen: (1) Man darf (so alle Akten, die der türkischen Administration bis 70 v. Chr. vorliegen) keine Kriege führen, die in einem langen Patt enden; daraus kann, wie im Verhältnis Roms zu den Parthern, ein »ewiges« Patt werden; (2) man sollte erwägen, was ein Friedensschluß bedeutet, wenn man den Krieg doch von Anfang an vermeiden könnte und der Friedensschluß ein Monstrum erzeugen würde wie das moderne Griechenland. Da widersprachen der dänische und der Schweizer Verbindungsmann aus politischer Korrektheit. Der Russe schwieg.
Abb.: Fürst Ypsilantis. →
Gefahren der Philantropie
Schon mehrere Male hatte ein öffentliches Unternehmen namens BERNMOBIL ausgediente, aber auf ihre Funktionstüchtigkeit sorgfältig geprüfte TRAMKOMPONENTEN an die rumänische Stadt Iaşi verschenkt. Die Gewohnheit war vor Jahrzehnten entstanden, und es waren bereits mehrfach Schienenfahrzeuge des Typs Be 8/8 auf Kosten der Schweizer Bundeshauptstadt nach Rumänien geschafft worden. Neuerdings wurde im Dezember 2010 ein Fahrzeug nach Osten transportiert, das 25 Jahre auf Berner Schienen unterwegs gewesen war. Vor Ort wurde das Personal geschult. Im März 2011 fuhr die Maschine dann ungebremst in eine stehende Autokolonne. »Ein Autofahrer starb.« Viele Verletzte. Man weiß nicht, ob der Unfall auf ein Versagen des Tramführers oder auf einen technischen Defekt zurückzuführen war. Ein gereizter Ton entstand in der Korrespondenz zwischen den städtischen Autoritäten in Bern und dem Wirtschaftsressort der rumänischen Republik.
Abb.: Überraschender Zugang zu einer antiken Stadt tief unter dem Felsboden der libyschen Wüste.
Ein Grenzkonflikt
Ein Grenzposten zwischen Libyen und Tunesien war von Aufständischen aus Benghasi besetzt. Eine Söldnertruppe Gaddafis griff in der Morgenfrühe diesen Posten an, eine Überdachung aus Metall mit Zollboxen; die Durchfahrt bestand aus einer modernen Straße, die nach beiden Seiten hin auf eine Sandpiste mündete. Die Gaddafi-Soldaten, motorisiert und im Moment durch keine Aufklärung der NATO beunruhigt, verfolgten die Aufständischen einige Kilometer auf tunesisches Gebiet. Dann wurden sie bis Mittag von tunesischen Streitkräften, die Streit und keinen Schußwechsel suchten, gewissermaßen sanft zur Grenze zurückgetrieben, blieben aber im Besitz der Stahlkonstruktion, die den Grenzposten markierte, der ihnen nichts nutzte, da niemand die Grenze überquerte.
Mitbringsel der Militärberater
Zwanzig britische Militärberater wurden in dem belagerten Misrata angelandet. Sechs davon waren Freiwillige, die anderen kommandiert. Bill Jenkins sah den Einsatz als eine besondere Karrierechance. In einer Zeit, in der militärische Planstellen für Stabsränge systematisch eingespart wurden. Mit seiner freiwilligen Meldung machte er sich den Vorgesetzten unentbehrlich. Die Mission war nicht ungefährlich. Vor allem durfte keiner der zwanzig Berater in die Hände der Soldaten Gaddafis fallen.
Was hatten diese Berater als Mitbringsel zu bieten? Es gab in der Kriegsgeschichte und in Englands jüngsten Konflikten im 20. Jahrhundert kein Beispiel für eine solch zähe Kriegsführung um Vororte, einen Kampf, der eigentlich auf die Köpfe der Einwohner, auf deren Entmutigung zielte. Sie sollten, und zwar nach Gruppen und Stadtteilen unterschieden, jeder Einzelne für sich, den kapriziösen Vogel der Freiheit vergleichen mit der
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