Das fünfte Buch: Neue Lebensläufe. 402 Geschichten (German Edition)

vorgedrungen sein würden, durch einen Funkbefehl noch aufzuhalten wären. Mit dem Zwitschern, mit dem sie sich untereinander verständigten, hatten sie sich aus der Menschenwelt entfernt, waren, selig vor Geselligkeit, in einer Programmwelt verschwunden, heißhungrig nach Information, offenbar genußsüchtig.
Ein Metallbrand ist besonders schwer zu löschen
    Das hochexplosive Wasserstoffgas, dessen Verpuffung im AKW Fukushima die Außenkuppel zerstörte, rührte von den Schutzhüllen her, mit denen der Brennstoff im Kern des Leichtwasserreaktors umgeben ist. Die Hüllrohre stellen sicher, daß das Kühlwasser nicht durch radioaktive Spaltprodukte verunreinigt wird. Seit 60 Jahren werden diese Rohre standardgemäß aus Legierungen hergestellt, die zu 98 Prozent aus Zirkonium bestehen.
    In den Anfängen der Atomindustrie galt das Schwermetall Zirkonium als unbrauchbar für den Reaktorbau. Das Element ist nur schwer rein herzustellen. Gerade aber diese Herausforderung lenkte die Aufmerksamkeit der Entwickler und Erfinder auf dieses Element, das in besonderer Weise eine Hülle bildet und doch den Neutronendurchfluß nicht behindert. Die Legierungen wurden kraftvoll optimiert: stets Zirkonium mit geringen Anteilen an Eisen, Nickel, Chrom, Niob und Zinn. Nicht spröde, aber stabil und korrosionsbeständig. An der Grenze zwischen Hüllrohr und Kühlwasser bildet sich auf dem zum Standard gewordenen Metall eine dünne Oxidschicht; sie ist es, die das Material vor weiterem Rost schützt. Keine Art rostfreien Stahls besitzt diese Eigenschaft. Der Nachteil dieser evolutionär herangereiften Vorliebe der Atomtechnik zeigte sich in Fukushima. Bei einer Hitzeentwicklung, die in den Modellrechnungen nicht vorgesehen war, beginnt das Zirkonium zu brennen und ist durch kein Mittel der Welt zu löschen. Gelangt Wasser an den Metallbrand, trennen sich Wasserstoff und Sauerstoff. Zugleich bringt der Brand die Wasserstoffblase zur Explosion.
Zufluchtsort einer künftigen Menschheit
    In der Straße der Stiftungen in Washington, von wo aus die großen Lobbys ihren Ausgang nehmen, existierte eine relativ kleine Organisation, die von 16 Jungingenieuren betrieben wurde und über Internet eine Anhängerschaft von 70000 Teilnehmern aufwies. Sie befaßte sich mit den Zufluchtsorten einer künftigen Menschheit, wenn – schuldlos oder schuldig – deren gegenwärtige Domizile vernichtet wären. Die Mitarbeiter waren weder skeptisch noch depressiv gestimmt, sondern voller Erwartung.
    Sie nutzten ihre Verstandeskräfte, die ja durch die Rückantwort so vieler Partizipanten dieses Unternehmens im Netz energetisch verstärkt waren, zur Befestigung der Einsicht, daß wenig Aussicht bestand, die Mehrheiten auf dem Planeten oder in den Administrationen daran zu hindern, die Erde selbst zugrunde zu richten. Zugleich – und das war die Wurzel ihrer affirmativen Einstellung – glaubten sie an ihre Fähigkeit, »als Ingenieure scheinbar Unmögliches zu bewirken«.

    Abb.: Mond Europa. Aus der Entfernung gesehen.
    Ihre Hoffnung richtete sich in jenen Tagen auf den Jupitermond EUROPA . Unter einer brüchigen Eiskruste existiert dort ein gewaltiger Ozean, der diesen Mond bis zum felsigen Kern ausfüllt. Nicht vergleichbar mit einer irdischen Wassermasse. Am Boden dieses Meeres mochte es Methanquellen geben. Fremdartige Kleinlebewesen konnten sich dort entwickelt haben. Jedenfalls wurde dieses Wasser, von Wärme und Energien durchflutet, durch die massiven Gravitationskräfte des Jupiter täglich durchwalkt.
    Zunächst brauchte man, vom praktischen Standpunkt des Ingenieurs aus gesehen, »geschlossene Körper«, um Menschen in diese fremde Welt einzuführen. Man darf sich ein solches HEIM nicht wie ein U-Boot vorstellen, vielmehr sehen wir das, meinte Dipl.-Ing. George Hunza, einer aus der Gruppe der 16, als eine Art großer Blase, eine Fortentwicklung der früheren Zeppeline. Diese SIEDLUNGEN oder RIFFE , also Packungen und Versammlungen, bilden einen Gegenpol zu der amorphen und durch die Eiskruste des Mondes abgeschotteten Wassermasse. Dem »Bösen« steht nicht das Gute, sondern das »Nasse« gegenüber. In ihm zerstreuen sich die Absichten und Pläne, die Voraussetzung des Bösen sind. Das könne als generelle Lebensregel gelten, meinte Hunza. Die Organisation der Menschen auf dem fernen Mond benötige eine gewisse Abgeschlossenheit für ihre Entwicklung. Ausgeschlossen sei es dagegen, daß »Bären (also die Menschen) sich dem nassen Element so