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Das Fuenfte Evangelium

Das Fuenfte Evangelium

Titel: Das Fuenfte Evangelium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philipp Vandenberg
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angesichts der gebotenen Summe schwach werden. Dann, glaube ich, wären meine Tage gezählt. Nein, dieses Pergament ist für mich wie eine Lebensversicherung.«
    In der Aufregung über das kostbare Pergament gerieten zwei weitere Funde ins Hintertreffen: ein Flugticket von Olympic Airways Thessaloniki – Athen – Paris, dem sie zunächst keine Bedeutung zumaßen, und ein Brief ohne Datum und ohne Umschlag, von zarter Hand und in englischer Sprache geschrieben. Im Briefkopf der Absender: Aurelia Vossius, 4083 Bonita View Drive, San Diego, California 91902.
    »Vossius war verheiratet«, bemerkte Adrian.
    »Tatsächlich«, erwiderte Anne und begann den Brief zu lesen. Er war nicht lang, gerade zwanzig zierlich geschriebene Zeilen – ein Abschiedsbrief des Inhaltes, die Jahre mit ihm, Vossius, hätten zu den schönsten in ihrem Leben gehört und auch jetzt, da ihre Ehe geschieden sei, bereue sie nichts. Sie habe zwar kein Verständnis für seine Pläne, wünsche ihm jedoch Erfolg, und vielleicht würden sich beider Wege noch einmal kreuzen. Love – Aurelia.
    »Ob sie weiß, daß Vossius tot ist?« fragte Anne, ohne eine Antwort zu erwarten. »Ein rührender Brief.«
    »Er muß auch dem Professor nicht gleichgültig gewesen sein«, meinte Kleiber, »sonst hätte er ihn nicht aufgehoben.«
    Anne nickte zustimmend: »Abgesehen von der Tatsache, daß Vossius verheiratet war, scheint mir am interessantesten der Hinweis, sie habe kein Verständnis für seine Pläne. Fragt sich, ob diese Pläne im Zusammenhang stehen mit dem rätselhaften Pergament.«
    »Wer will das wissen!« entgegnete Adrian. »Da gibt es nur eine Möglichkeit: Du mußt sie fragen.«
    »In Kalifornien?«
    »Warum nicht. Die Frau ist vermutlich die einzige, die uns noch weiterhelfen kann. In jedem Fall weiß sie mehr über die Hintergründe seiner Arbeit.«
    Annes Bedenken, die Frau hätte wohl kaum eine Veranlassung, wildfremden Menschen aus Europa Auskunft über ihren geschiedenen Mann zu geben, waren nicht von der Hand zu weisen. Sie mußten deshalb eine Geschichte erfinden, die Vossius' Ex-Frau zum Reden brachte, oder – und das war Kleibers Idee – der Frau die ganze Wahrheit berichten. Sie wollten Mrs. Vossius den Abschiedsbrief aushändigen, der für die Frau gewiß nicht ohne Bedeutung war, während sie kaum etwas damit anfangen konnten. Auf diese Weise müßte es ihnen gelingen, ihr Vertrauen zu gewinnen.
    Also faßten sie von einer Stunde auf die andere den Entschluß, nach San Diego zu fliegen. In ihren Reiseplänen sahen sie sogar einen gewissen Vorteil für ihre eigene Sicherheit, wenn sie plötzlich aus Paris verschwanden. Wußten sie, ob sie nicht längst unter heimlicher Beobachtung standen, ob nicht jeder ihrer Schritte verfolgt, jedes Ziel registriert wurde? Jedenfalls erschien das, nach allem, was geschehen war, nicht abwegig.
    Deshalb arbeitete Adrian Kleiber einen raffinierten Plan aus, mit dem er die Dokumente aus Vossius' Gepäck in Sicherheit bringen konnte. Dazu verließ Anne alleine das Haus, um sich mit einem Taxi zum Louvre zu begeben, während Kleiber zur selben Zeit mit den Dokumenten des Professors das Haus an der Avenue de Verdun durch den Hofeingang verließ, einen Fahrradschuppen durchquerte und am Quai de Valmy herauskam, von wo er, den Canal Saint Martin überquerend, seine Bank an der Place du Colonel Fabien erreichte.
    Kleiber unterhielt in der Bank ein Schließfach, weniger um dort Reichtümer aufzubewahren als wichtige Dokumente, mit denen er bisweilen von Berufs wegen umzugehen hatte. In diesem Fach verstaute er das Pergament und die übrigen Vossius-Papiere.
    Zum Essen trafen sich Adrian und Anne in einem Restaurant an der Bourse du Commerce und freuten sich über den gelungenen Coup. Adrian hatte sich in seiner Redaktion abgemeldet – was keine Besonderheit darstellte, denn nicht selten recherchierte er mehrere Wochen an einem Thema, bevor er mit einer Geschichte zurückkehrte. Der Flug nach Kalifornien war für den folgenden Tag gebucht, Donnerstag, Abflug 9.30 Uhr Le Bourget.
8
    K alifornien empfing sie anders als erwartet, mit Sturm und sintflutartigem Regen, wie er hier selten, dafür um so heftiger ist. Vor allem der Weiterflug von Los Angeles nach San Diego, südwärts die Küste entlang, gestaltete sich zu einem Kampf des Piloten gegen die Elemente, so daß Anne heilfroh war, als die kleine Maschine von Osten her bedrohlich nah über dem Häusermeer auf dem Airport Lindbergh Field

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