Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
den Gartentisch. Sie trägt keinen Slip unter ihrem knappen Röckchen. Der Zoom macht einiges möglich.
Bei genauer Betrachtung scheint nichts an ihr echt. Die Haare nicht, die Wimpern nicht, der Busen nicht. Sie versucht, die zu sein, die er haben will. Ein unsicheres Kind. Bemitleidenswert.
Als Frau uninteressant.
10.
»Ich lese Ihre Zeitung nicht!«, fuhr uns die Oma mit einer dünnen Fistelstimme an und knallte die Wohnungstür wieder zu.
Danner und ich tauschten einen verwunderten Blick.
Ich drückte erneut die Klingel.
So schnell ließen wir uns nicht abwimmeln. Schließlich waren wir knapp zwei Stunden gefahren, um den Kurort im Weserbergland zu erreichen, in dem Sabine Kopelskis Mutter lebte. Selbstverständlich hatte uns Silvia Fromm mit Namen und Adresse der Frau aushelfen können. Weil Alwin Kopelski behauptete, seine Frau könnte ihrer Mutter einen Besuch abstatten, hatten wir heute Morgen beschlossen, diesen Punkt sofort zu klären, und waren gleich losgefahren.
Die Tür sprang wieder auf. »Wie sind Sie überhaupt ins Haus gekommen? Haben Sie bei der schrulligen Schulze geklingelt? Die soll die Zeugen Jehovas doch nicht reinlassen.«
Tatsächlich war es eine gewisse Frieda Schulze gewesen, die uns, ohne groß nachzufragen, mit einem freundlichen Summen des automatischen Türöffners Einlass gewährt hatte, nachdem Gertrude Pichelberger unser wiederholtes Klingeln ignoriert hatte. Und die nette ältere Dame hatte uns auch hilfsbereit Auskunft erteilt, als wir nach der Wohnung von Bine Kopelskis Mutter gefragt hatten.
Dritter Stock links.
»Wir sind keine Zeugen Jehovas«, protestierte ich. »Wir sind Nachbarn Ihrer Tochter. Aus Bochum.«
Die alte Frau kniff die Augen zusammen. Ihr Rücken war gekrümmt, sie stützte sich auf einen orthopädischen Stock. Sie musste von unten hochschauen, wodurch ihr Gesicht noch länger wirkte, als es war. Und wenn sie sprach, kamen die gleichen großen Pferdezähne zum Vorschein, die mir schon auf Bines lebensgroßem Pappaufsteller im Keller der Kopelskis aufgefallen waren. Die Verwandtschaft war unverkennbar, nur leuchteten Gertrude Pichelbergers Zähne im Gegensatz zu denen ihrer Tochter strahlend weiß. Sie waren nicht echt.
»Ich kenne Sabines Nachbarn«, fauchte Bines Mutter.
»Wir sind Nachbarn aus dem Schrebergarten.«
»Pah!« Die Alte spuckte durch ihr Gebiss. »Der Gartentick ist doch nur wieder eine von Alwins Macken.«
Gertrude Pichelberger konnte Alwin Kopelski nicht ausstehen, hatte uns schon Silvia Fromm informiert. Selbst als Bines Mutter noch im Ruhrgebiet gelebt hatte, war sie kaum bei ihrer Tochter in der Zechensiedlung aufgetaucht. Immer war es Bine gewesen, die zu ihr fuhr.
Nach dem Tod von Bines Vater hatte Gertrude Pichelberger über eine Online-Dating-Agentur einen pensionierten Lehrer kennengelernt, der seinen Ruhestand im schönen Weserbergland genoss. Auch er war inzwischen verstorben, hatte seiner Frau aber die Eigentumswohnung hinterlassen.
»Wir wollten Sabine zur Einweihung unserer Laube einladen«, improvisierte ich drauflos. »Leider war sie seit Wochen nicht mehr im Garten.«
»Weil die mit dem Grünzeug nix am Hut hat. Alwin hat diesen Gärtnertick. Und dem geht es dabei doch nur ums Saufen.«
»Zu Hause ist Sabine auch nicht.«
Die Pichelberger funkelte uns an: »Vielleicht hat sie den Scheißkerl ja endlich sitzen lassen. Jetzt wo sie es sich leisten kann.«
Ich sprach es aus, bevor ich ganz zu Ende gedacht hatte: »Sie meinen den Autogewinn bei der Supermarktlotterie?«
Die Pichelberger sah erstaunt zu mir hoch. Und sogar Danner konnte sich einen kurzen Seitenblick nicht verkneifen.
»Dieses dumme Huhn!«, schimpfte die Alte wieder. »Die kann einfach ihre Klappe nicht halten. Ich hab ihr gesagt: ›Plärr nicht gleich raus, dass du Geld hast!‹«
Danke für die Auskunft.
»Sie wissen also nicht, wo wir Ihre Tochter finden können?«, fasste Danner zusammen, mit einem Blick an Frau Pichelberger vorbei in die Wohnung. Zwei-Zimmer-Küche-Bad, vermutete ich. Alle Türen standen offen. Im Wohnzimmer baumelte über einem antiken Tisch ein goldener Kronleuchter und im Schlafzimmer verhüllte eine Tagesdecke das Bett. Wenn Bine Kopelski sich nicht auf dem Klo versteckte, war sie tatsächlich nicht hier.
»Bine ist volljährig, weißte?«, giftete ihre Mutter.
»Trotzdem kann man ja miteinander sprechen«, fand Danner.
»Hmpf!«, machte die Frau nur. Sie verschränkte die Arme, ohne ihren Stock loszulassen. Die
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