Das fünfte Foto: Lila Zieglers fünfter Fall (German Edition)
hellhörig: »Frau Kopelski?«
»Ich glaube, so heißt sie. Sie wohnt da drüben.« Der Riese deutete eifrig an der Häuserreihe entlang. Offensichtlich war er froh, das Gespräch von seiner eigenen Wohnsituation abgelenkt zu haben.
»Ist der Zustellerin bei dem Angriff etwas passiert?«, hakte Danner sofort nach.
Ich hörte aufmerksam zu. Natürlich musste die Ursache der Blutspuren in der Küche der Kopelskis gar nicht dort entstanden sein. Genauso denkbar war, dass Bine Kopelski nach einem Angriff verletzt hereingekommen war.
Doch der Riese winkte ab: »Ach wo. Die Sprack ist nicht gut zu Fuß. Trotzdem sollten Sie auf Überraschungen gefasst sein.«
Der Mann verschwand mit der Zeitung im Haus.
Danner fing an zu grinsen.
»Hilf mir«, forderte ich ungeduldig. »Wer ist der Typ?«
Klick.
Er hält ihre Hand zu lange fest. Zu lange, um nur eine Pizza zu bezahlen.
Sie lässt es zu. Lächelt mit roten Lippen.
Ist am Ende sie der Grund seiner ständigen Bestellungen? Hat er es auf meine schöne Italienerin abgesehen?
Dabei scheint er leise, schüchtern fast. Kein Mann, auf den die Damen gewöhnlich fliegen. Hat auch nie Frauenbesuch. Eigentlich ein Chancenloser.
Doch ihr Lächeln sagt etwas anderes.
21.
»Warum zum Teufel hast du nicht erwähnt, dass der Polizeipräsident bei dir nebenan wohnt?«, schnauzte Danner in sein Handy. Er hatte den Lautsprecher angeschaltet.
»Schschschscht!«, hörte ich Matthias Hesskamp zischen. »Ich bin gerade im Präsidium.«
Hallende Schritte. Er ging auf den Flur.
»Kein Wort darüber, Ben! Auch nicht zu Staschek, kapiert? Bis jetzt hat es keiner mitgekriegt. Und das soll auch so bleiben, sonst hab ich meinen Ruf als Spitzel vom Dienst weg. Du weißt doch, wie schnell das geht.«
Danner schnaufte.
»Das Haus, in dem ich lebe, ist mein Elternhaus«, rechtfertigte sich Hesskamp aufgebracht. »Seit über hundert Jahren lebt meine Familie in Gerthe. Mein Urgroßvater ist bei dem Grubenunglück 1912 umgekommen. Mein Großvater ist noch bis zur Schließung in Lothringen eingefahren. Was kann ich dafür, dass Mattek plötzlich nebenan einzieht?«
»Seit wann wohnt er da?«, wollte Danner wissen.
Die Frage ließ mich zusammenzucken. Das interessierte Danner wohl kaum, weil er glaubte, dass der Polizeipräsident etwas mit Bine Kopelskis Verschwinden zu tun haben könnte.
Mein Blick suchte die Augen meines Freundes, doch er wandte sich mit dem Handy am Ohr ab und entfernte sich ein paar Schritte.
Die Antwort war sowieso klar: Er wollte wissen, ob sie womöglich auch dort wohnte. Klara Peters, Matteks letzter Scheidungsgrund und Danners Lieblingsfeindin.
»Er ist kurz nach Weihnachten eingezogen«, erklärte Hesskamp.
»Allein?«
»Frag doch gleich, ob er noch mit der Peters zusammen ist«, fauchte Hesskamp gereizt.
Ich hatte die Frage kommen sehen. Trotzdem trafen mich die Worte wie eine Nadel. Ins Herz.
Nach der Trennung von der Schlampe hatte sich Danner zehn Jahre lang auf keine neue Beziehung eingelassen. Noch heute knisterte die Luft, wenn die beiden aufeinandertrafen. Ob vor Erotik oder Feindseligkeit, konnte ich nicht sicher sagen.
»Die Peters ist wohl in der Eigentumswohnung in der Innenstadt geblieben.« Hesskamp dämpfte seine Stimme wieder. »Sieht aus, als hätten sie sich getrennt. Geht mich aber nichts an.«
Danner schüttelte unzufrieden den Kopf, nachdem er das Gespräch beendet hatte: »Auf solche Überraschungen kann ich verzichten. Wir sollten uns dringend einen besseren Überblick über die Siedlung verschaffen.«
Ich versuchte, die nagende Eifersucht zu ignorieren, die mir einflüsterte, dass er in Wirklichkeit nur mehr über das Privatleben seiner Exverlobten herausfinden wollte.
In der Frühe eine Person aufzutreiben, die genau über die Nachbarschaft informiert war, war kein Problem. Silvia Fromm strahlte, als wir auf dem Willkommensgruß ihrer Fußmatte standen.
»Herr Danner! Frau Ziegler! Schön, dass Sie vorbeischauen, ich habe Neuigkeiten für Sie.«
Sollten nicht eigentlich wir diesen Spruch aufsagen?
»Kommen Sie rein. Der Kaffee ist gerade durch.«
Eine Hellseherin?
»Meine Tochter bringt gleich den Kleinen. Dienstag- und Donnerstagvormittag arbeitet sie wieder. Setzen Sie sich schon mal auf die Terrasse.«
Mit aufmunternden Handbewegungen scheuchte sie uns durch den Flur. Ich widerstand dem spontanen Impuls, meine Turnschuhe ausziehen zu wollen. Die großen Fliesen spiegelten blitzblank. Drei altmodische Paar Schuhe
Weitere Kostenlose Bücher