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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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kochen?« frage Bird, der sich ein wenig überflüssig fühlte in dem Wirbel von Aktivitäten, die die Küche erfüllten.
    »Einen Salat«, schlug Nita vor.
    »Ja, das könnte ich machen«, es klang nicht sehr begeistert.
    »Was mochte denn dein Vater gern?«
    »Grüne Gemüse, schwarze Bohnen, Maisbrot, Sushi, thailändische Krabbensuppe und die Karotten-Creme, die Johanna meiner Mutter einmal gezeigt hatte.«
    Als das Essen fertig war, legten sie kleine Portionen von jedem Gericht auf Teller und stellten sie draußen auf die Altäre der Toten.
    »Wieder ein Festessen mit umwerfender Auswahl, wenn auch von zweifelhafter Bekömmlichkeit«, sagte Holybear. »Ein Toast auf Madrone! Möge sie leben, wenn auch nicht für immer, dann wenigstens für eine gute, lange Weile!«
    Beim Dessert erzählten sie Geschichten über die Toten. Madrone erzählte die einzige Geschichte, die sie über ihren Vater wußte: Wie er als Student der Universität in Guadeloupe eines Morgens über die Leiche eines Kindes vor seiner Tür fiel, das in der Nacht vor Hunger gestorben war. Statt an diesem Tag wie üblich zu seiner Vorlesung zu gehen, war er in die Berge gezogen und hatte sich der Revolutionsbewegung angeschlossen.
    Bird erzählte von seinem Bruder, Marley, wie er in der Dürre von '33 hinauf nach Twin Peaks gegangen war und vier Tage lang ohne Unterbrechung getrommelt hatte, bis der Regen kam. Nita sprach von ihrer Großmutter, die nach dem zweiten Weltkrieg von den Philippinen herübergekommen war und acht Kinder allein großzog, nachdem deren Vater mit einer anderen Frau verschwunden war.
    Sage erzählte von der Nacht, als ihr Großonkel Seth, ein Wanderprediger in Luisiana, eine Lynchaktion verhinderte, indem er predigte und predigte und predigte, bis er einen Brechkrampf bekam und dadurch dem Opfer Gelegenheit zur Flucht gab. Maya war ungewöhnlich ruhig und konzentrierte sich auf ihr Strickzeug, sogar, als Holybear über die berühmteste, politische Gerichtsverhandlung seines Großvaters Ben berichtete, an der sie selbst teilgenommen hatte.
    »Du bist schrecklich ruhig, Abuelita«, sagte Bird. Er saß zwischen Madrone und Holybear auf der großen Couch, Nita hockte auf der Armlehne, und alle hatten sich Maya lächelnd zugewandt. »Was denkst du?«
    »Ich denke, daß wir alle von Überlebenden abstammen. Wie Küchenschaben, wir sind nicht so leicht auszurotten.«
    »Nicht gerade ein schmeichelhafter Vergleich«, beschwerte sich Nita.
    »Warum nicht wie Minze oder Brombeeren oder gar Efeu? Sie breiten sich auch überall aus und sind schwer zu beseitigen?«
    »Erzähl' uns eine Geschichte«, sagte Bird zu Maya. »Jetzt bist du dran. Etwas Lehrendes und Inspirierendes.«
    »Ich habe meine Geschichten geschrieben«, sagte Maya, »da sind sie, in dem Stapel Bücher auf dem Tisch.«
    »Lies uns dann eine vor«, schlug Sage vor und schaute von dem hellen, grün-goldenen Teppich auf, den sie gerade häkelte.
    »Ist irgendwas mit deinen Augen nicht in Ordnung?«
    »Nein, aber du entkommst uns nicht so leicht«, sagte Nita, »erzähl' uns eine Geschichte!«
    »Erzähl' uns eine Geschichte! Erzähl' uns eine Geschichte!«, verlangten alle fröhlich rufend.
    »Von welchem der Toten soll ich erzählen?«
    »Zur Hölle mit den Toten. Erzähl' uns von dir. Auch du wirst viel zu schnell tot sein, und dann werden wir deine Geschichte erzählen müssen«, sagte Bird.
    Maya seufzte, während sie ihr Strickzeug in den Schoß legte. »Woran ich immerzu denken muß, ist die Diskussion, die wir mit Lily hatten.«
    »Wie man den Stewards Widerstand bietet?«, fragte Madrone.
    »Manchmal erscheint es mir, als hätte ich die gleichen Diskussionen immer und immer wieder, seit achtzig Jahren. Gewalt oder Gewaltlosigkeit, wie weitermachen, wo die Grenze ziehen? Debatte auf Debatte, während sich um uns herum die Gewalt weiter unkontrolliert ausbreitet. Wenn ich euch heute Nacht eine Geschichte erzähle, wird es eine Kriegsgeschichte sein.«
    »Fang' an«, sagte Bird ruhig, »vielleicht ist es eine Kriegsgeschichte, die wir gerade jetzt hören müssen.«
    »Der erste Krieg, an den ich mich erinnern kann, war Vietnam.« Maya rutschte in ihrem Sessel zurück und schloß die Augen, als wollte sie Kraft sammeln, wie vor einem langen Aufstieg. »Wir sahen uns regelmäßig die Abendnachrichten an, Rio und ich, vor einem alten Schwarzweiß-Fernseher. Wir lebten in einem großen Raum, einer umgebauten Garage, in Berkeley. Er war zur Schule zurückgegangen, was ich

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