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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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als einen persönlichen Betrug auffaßte. Dennoch blieb ich bei ihm.«
    »Warum war es Betrug?« fragte Nita.
    Maya öffnete ihre Augen und sah sie an. »Weil er, als ich ihm das erste Mal begegnete, wie von einem anderen Stern zu kommen schien. Nicht an Weltliches gebunden. Ein Geächteter, ein Pirat, ein Retter in einer schwarzen Lederjacke mit Haaren, die ihm fast bis zum Hintern reichten – was ihn in jenen Tagen als einen Radikalen kennzeichnete. Er schien so frei zu sein. Wir lebten von der Luft, fuhren in seinem alten Lieferwagen die Küste rauf und runter, vollkommen high, und Rockmusik plärrte in voller Lautstärke aus der Stereo-Anlage im Wagen. Wir liebten uns am Strand während eines Sturmregens und die Wellen zerbarsten über unseren nackten Körpern. Wie konnte ein solcher Mann an Zwischenprüfungen teilnehmen und sich Sorgen machen über Durchschnittsnoten? Und meine Mutter nörgelte ständig an mir herum. Ich sollte wieder zur Schule gehen. Ich konnte ihm nicht vergeben, daß er etwas tat, was ich so heftig ablehnte.«
    »Warum wolltest du nicht zur Schule gehen?«, fragte Nita.
    »Ich hatte aufgehört und war Johanna hinterhergelaufen, und ich wurde eingesperrt. Das heißt, erwischt, während ich mich mit jemandem auf dem Fußboden des Umkleideraumes der Turnhalle liebte, nachdem wir zuviel LSD genommen hatten. Danach konnte ich keine festen Strukturen, keine Hierarchien mehr ertragen. Sie schienen mir alle falsch zu sein. Alle Menschen schienen sich nur herauszuputzen und zu versuchen, sich selbst und andere zu beeindrucken. Das wollte ich nicht. Ich wollte keinen Abschluß, ich wollte das Absolute: Erleuchtung durch den geraden, nach oben weisenden Pfad, etwas Wahres.« Maya seufzte. »Ich dachte, daß ich das mit Rio hätte, aber was ich wirklich hatte, war eine andere Form der Fantasy. Wir lebten nicht von Luft, wir lebten von dem Geld, das er durch Drogen-verkauf verdiente. Ich hatte Sand im Schritt vom Bumsen am Strand und er proklamierte freie Liebe, während er meine beste Freundin schwängerte, aber das erfuhr ich erst viele Jahre später. Schwanger mit deiner Mutter.«
    Sie nickte Madrone zu. »Also sollten wir ihm eigentlich dafür dankbar sein.«
    »Ich lege ein bißchen mehr von dem Obstdessert auf seinen Altar«, sagte Madrone.
    »Im Grunde genommen war sein Entschluß, zur Schule zurückzugehen, das Beste, was er je getan hat. Wenn er nur dabei geblieben wäre.« Sie nahm ihr Strickzeug wieder auf und starrte es an. »Aber ich sprach über den Krieg. Eines dieser Nachrichtenbilder hat sich unauslöschlich in mein Gehirn gebrannt. Eine brennende Frau, verbrannt durch Napalm, laufend und schreiend und ihr brennendes Baby an sich drückend. Dieses Bild verfolgte mich. Wann immer ich mich schlecht fühlte, wenn Rio und ich uns stritten, wenn ich eine Erkältung hatte oder mich ins Bett verkriechen wollte mit Menstruationskrämpfen, dann dachte ich an diese arme Frau. Wie konnte ich mir selbst leid tun im Angesicht ihres Leidens? Und wenn ich mich gut fühlte, wenn der Blauregen am Haus mal wieder blühte, schämte ich mich. Wie konnte ich glücklich sein, wenn eine andere Frau, eine wie ich, fast bis auf die Knochen verbrannt worden war?«
    Sie stach ihre Nadeln ins Strickgarn und fluchte leise, als sie eine Masche fallenließ.
    »Sprich weiter, Abuelita«, sagte Bird.
    »Wir versuchten mit allen Mitteln den Krieg zu stoppen. Demonstrationszüge, wir blockierten die Einberufungstafel mit den Namen der Soldaten, wir piesackten vor dem Supermarkt die Einkaufenden, nichts half. Der Krieg ging weiter und weiter. Rios Bruder wurde getötet. Das war der Punkt, an dem er zu trinken begann, immer später nach Hause kam, auf der Couch bewußtlos wurde, unsere Möbel kaputtschlug. Er begann mir Angst zu machen.«
    »Aber du bliebst bei ihm?« fragte Sage.
    »Ich fuhr fort, mir bei jedem Saufgelage einzureden, es würde sein letztes sein. Was kann ich sagen? Ich liebte ihn, und ich war mir nicht über meine Alternativen klar. Jedenfalls, je länger der Krieg dauerte, umso frustrierter wurden wir. Wo wir gesungen hatten ‘Wir studieren keinen Krieg mehr', riefen wir jetzt ‘Weg ihr Schweine', und vom Rufen kamen wir zum Fenstereinwerfen und kleinen Feuern auf den Straßen. Meistens taten wir nicht mehr als das. Aber die Atmosphäre wurde gefährlicher. Die Gruppe, der Rio und ich beitraten, fing an, mit Gewehren durch die Wälder zu streifen und über Bombenattentate zu sprechen. Es schien uns

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