Das Fünfte Geheimnis
eine Skulptur, jeder einzelne Muskel modelliert, hart, perfekt geformt. Madrone fühlte einen plötzlichen Impuls, ihre Finger über Isis' samtige Haut gleiten zu lassen und diese stählerne Kraft unter ihren Händen zu fühlen. »Ich war einmal der Stolz des Valley.«
Die Piratin drehte sich in ihrem Stuhl, stemmte ihre Beine gegen die gegenüberliegende Wand, so daß ihre Hosen herunterrutschten und den Blick freigaben auf die nackten Konturen ihrer Beine.
»Mehr Wein?«
Madrone fühlte ein leichtes Glühen, aber sie nickte. Der Wein hatte eine zusammenziehende Wirkung auf ihrer Zunge, aber einen vollen Geschmack in ihrer Kehle.
»Wie gut bist du als Heilerin?« fragte Isis.
»Was meinst du?«
Kannst du mich von den Drogen befreien?«
»Was für Drogen? Ich verstehe nicht.«
»Diejenigen von uns, die als Läufer gezüchtet wurden, sind mit bestimmten Hormonen und Anabolica aufgezogen worden. Dadurch haben wir Stärke und Schnelligkeit entwickelt. Aber du mußt sie ständig einnehmen, sonst verfällst du. Darum haben die meisten von uns Angst, wegzugehen.«
»Aber du hast es getan.«
»Ich tat es. Aber ich verbringe die Hälfte meines gottverdammten Lebens damit, Apotheken auszuplündern. Ich bin nicht frei.«
»Du sprichst immer von ‘züchten'. Was meinst du damit?«
»Ich meine, züchten. Weißt du, herstellen. Sie gaben unseren Mamas einen Vertrag. Alle die Stewardships haben ihre eigenen Läuferteams, ihre eigenen Trainingszentren und Zuchtverträge. Es ist eine Industrie. So geht das Spiel.«
»Du meinst, sie züchten Menschen wie man Tiere züchtet? Mit bestimmten Merkmalen?«
»Wir sind nicht wirklich Menschen für sie.«
»Das ist entsetzlich.«
»Es ist nicht die schlimmste Art zu leben«, sagte Isis und schaute ihre Beine bewundernd an, während sie das linke über das rechte legte. »Du wirst gut behandelt. Das beste Essen, und es fehlt dir nie an Wasser. Natürlich trainierst du sehr hart, aber das machte mir nichts aus. Das Laufen machte viel Spaß. Nur den Kerlen zu Diensten zu sein, die die größten Wetten machten, damit kam ich nicht zurecht.«
Madrone fühlte sich dumm, ständig nach Erklärungen fragen zu müssen .
»Was meinst du?«
»Ich meine, sie zu ficken und zu blasen. Und, natürlich, je älter du wirst, umso weniger Rennen läufst du und umso mehr fickst du. Bis du sogar dafür zu alt bist. Ich habe die Entwicklung kommen sehen, wenn du mir folgen kannst. Also ging ich.«
»Ich dachte, außerehelicher Verkehr war die größte Sünde der Millennialisten«, sagte Madrone.
»Oh, das ist es auch. Sie beschweren sich immerzu über die Unmoral der Stewards, aber wie unmoralisch kann es sein, wenn Geld eine Rolle spielt? Und technisch gesehen ist es kein außerehelicher Verkehr, wenn einer der beiden keine unsterbliche Seele hat.«
»Was?«
»Geschlechtsverkehr hast du mit einer anderen Person. Wir sind keine Menschen. Unsere Mamas taten etwas, um ihre unsterblichen Seelen zu verlieren, wie vergewaltigt zu werden vielleicht, oder ihre Körper zu verkaufen, um Essen auf den Tisch zu bringen. Und mit unseren heiligen, geweihten Genen wurde herumgepfuscht. Das macht uns zu einer besseren Sorte Tier.«
»Das ist Irrsinn.«
»Niemand hat jemals die Millennialisten für sehr zurechnungsfähig gehalten.«
»Für uns«, sagte Madrone, »hat alles eine Seele. Oder wenigstens Geist, Bewußtsein. Tiere, Pflanzen. Luft und Feuer, Wasser und Erde. So wie es in der Deklaration der Vier Heiligen Dinge heißt: Wir sind Teil des Lebens dieser Erde und daher heilig. Niemand von uns ist als höher oder niedriger anzusehen als jemand anders.«
»Aber ihr züchtet Tiere, nicht wahr?« sagte Isis. »Ihr eßt sie?«
»Das ist eine der längsten Debatten, die wir in der gesamten Stadt haben. Im Rat ist es immer wieder Thema. Viele Leute meinen, wir sollten alle strenge Vegetarier sein, keine Tiere essen, weder Eier noch Käse esen und keine Milch trinken, weil man keine Tiere zur Milchproduktion aufziehen kann, ohne die männlichen Tiere zu töten. Aber viele von uns glauben, daß wir ohne die Tiere nicht zurechtkommen – nicht nur wegen des Fleisches, aber wegen der Rolle, die sie im gesamten System spielen. Wir brauchen ihre Abfälle als Düngemittel; wenn wir sie töten, wird der gesamte Körper verwertet.«
»Wie habt ihr euch entschieden?«
»In diesem Punkt entscheidet jeder Haushalt und jede Farm für sich selbst. Wir alle glauben, daß Tiere während ihres Lebens liebevoll
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