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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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sie sagen sollen? Es hörte sich einfach zu schrecklich an, sie konnte es nicht fassen. Wie Sklavenhandel, oder wie die Todeslager der Nazis. Unfaßbar. Aber das war Vergangenheit. Und dies war hier und jetzt in der Gegenwart, es konnte auch sie treffen.
    »Das tut mir leid, das mit deiner Mutter«, sagte sie schließlich. Ihre Worte hörten sich in ihren Ohren hohl und flach an. Stupid, dachte sie bei sich.
    »Oh, das ist nun schon sehr lange her«, meinte Hijohn, »ich bin fast sicher, daß sie längst tot ist. Frauen überleben so ein Lager keine zwanzig Jahre.«
    Sicher ist das Gefühl in ihm auch schon abgestorben, dachte Madrone. Natürlich, wie sonst könnte er das Unerträgliche ertragen? Die schrecklichen Erinnerungen immer vor Augen haben? So wie ich ist er ein mutterloses Kind.
    »Nun weißt du, warum ich immer ein Gewehr bei mir habe«, fuhr Hijohn fort, »wenn es darauf ankommt, einen Angreifer zu töten oder sich von ihm in ein Lager stecken zu lassen, was würdest du dann tun?«
    Die Lager sind Wirklichkeit, dachte Madrone, es könnte auch mir passieren. Es überlief sie kalt. Dabei war es kein ganz neuer Gedanke. Sie wußte ja, was Bird widerfahren war, und hatte gehört, was Hijohn eben von seiner Familie erzählte. Und hier oben, mit dem Gewehr neben ihnen, erschien es noch viel realer.
    »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. Zögernd drehte sie sich um, um ihm in die Augen zu sehen. Aber er blickte auf den Pfad, der hinunter zum Camp führte. »Ich verstehe schon, weshalb du ein Gewehr dabei hast. Ich glaube aber, daß auch Grausamkeiten Gewalt nicht rechtfertigen, und Gewalt immer nur neue Grausamkeiten hervorrufen. Friede erwächst nicht aus Gewalt.«
    »Das nicht, aber Gewalt räumt erst einmal im Unterholz auf«, sagte Hijohn etwas spöttisch. »Hellt dunkle Stellen etwas auf.«
    »Ich bin hier fremd«, begann Madrone wieder und legte ihre Hand leicht auf Hijohns Arm, um sie aber gleich wieder zurückzuziehen, »ich weiß auch nicht, wie ihr hier kämpfen müßt. Aber ich glaube, daß es noch eine andere Form von Kampf geben muß, irgendeine, die von der Gewalt verschieden ist, und die auch stärker und wirkungsvoller ist. Diese Stärke, diese Art zu kämpfen, suchen wir City-Bewohner noch. Vielleicht finde ich diese Kraft hier in diesen einsamen Bergen?«
    »Runter!« zischte Hijohn plötzlich, und stieß sie so hart zu Boden, daß sie rücklings den Felsen hinunter kollerte und im Gebüsch liegen blieb. Blitzschnell riß er das Gewehr hoch und warf sich flach auf den Felsen, angestrengt nach vorn spähend.
    »Was ist los«, flüsterte Madrone und bemühte sich, ihre angestrengten Atemzüge zu mäßigen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Diosa, da reden wir von Gewalt-Theorien, und nun passiert es. Was, wenn er jemanden tötet, um mich zu beschützen? Was, wenn er es nicht tut? Oh ihr Götter, oh Maya, warum bin ich überhaupt hierher gekommen?
    »Jemand kommt den Pfad herauf«, flüsterte Hijohn vom Felsen herunter, »versteck dich hinter dem Felsen. Ich komme sofort nach.«
    Madrone kroch rückwärts, mehrfach schrammten ihre Knie hart über den Felsen. Hijohn glitt an ihre Seite. So lange wie möglich behielt er den Pfad im Auge. Trotz aller Anstrengung hörte Madrone keine Schritte, nur Bienen summten und Blätter raschelten im Sonnenschein.
    Eine Biene brummte um ihren Kopf und schwirrte dann weiter zu Hijohns Nase. Oh, Göttin, das fehlt noch, daß uns nun eine Biene sticht, erschrak Madrone. Aber Hijohn ließ langsam sein Gewehr sinken.
    »Es ist alles okay«, atmet er auf, »es sind die kleinen Schwestern.«
    Dann erfüllte das Summen von unzähligen Bienen den Canyon. Tausende schienen gleichzeitig freudig zu summen und sich auf jeden ihrer Schweißtropfen zu stürzen. Madrone wagte nicht, sich zu rühren.
    »Kommt nur her«, hörten sie Melissa rufen, »die kleinen Schwestern rufen euch.«
    Madrone stand langsam auf und kam hinter dem Felsen hervor, Hijohn folgte ihr. Melissas Augen leuchteten dunkel. Bienen bedeckten ihr Gesicht so dicht, daß die Haut unsichtbar blieb. Bienen umschwärmten jede noch so kleine Fläche ihres Körpers. Sie sieht
    sehr seltsam aus, dachte Madrone.
    »Was möchten die kleinen Schwestern von mir?« fragte Madrone.
    »Es wird Zeit, daß du lernt, eine von uns zu sein.«
    Madrone hatte dies herbeigesehnt, aber nun hatte sie Angst. Ihr Herz schlug heftig, sie atmete mühsam. »Was muß ich tun?« fragte sie schließlich zögernd.
    »Dies ist die

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