Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
schließlich.
    »Gewaltfreier Widerstand.«
    »Etwas ähnliches ist wohl angezeigt«, sagte Salal. »Aber vom Erfolg scheint hier kaum einer überzeugt zu sein.«
    »Wie soll das funktionieren?« warf eine junge Frau von der Wald-Komission ein.
    »Wie beim König von Dänemark«, sagte Maya. Alle starrten sie verblüfft an. »Habt ihr keinen Geschichtsunterricht gehabt? Im Zweiten Weltkrieg, als die Nazis halb Europa überrannten, gaben sie Befehl, daß alle Juden einen gelben Stern an ihrer Kleidung tragen müßten. Das war der erste Schritt in Richtung Konzentrationslager und zu den Verbrennungsöfen. Die meisten besetzten Länder gehorchten. Nicht so Dänemark. Einen Tag, nachdem der Befehl proklamiert war, ritt der König aus – mit einem gelben Stern an seiner Kleidung – und alle machten es ihm nach. Die Juden in Dänemark überlebten.«
    »Aber wie soll das bei uns funktionieren?«, fragte jemand aus dem Hintergrund.
    Maya begann wieder. »Angenommen, niemand gehorcht dem Feind, niemand hilft ihm, niemand gibt ihm Informationen. Angenommen, wir alle sagen zu den fremden Soldaten: Hier ist ein Platz für dich an unserem Tisch, wenn du möchstest.«
    »Komplette Verweigerung also?«, fragte Greta.
    »Ich bin kein Ghandi-Anhänger«, fuhr Maya fort. »Ich habe trotzdem mein ganzes Leben lang immer wieder mal gewaltfreien Widerstand geleistet. Doch an die geistigen Weihen der Selbstaufopferung glaube ich nicht. Auch nicht daran, daß es genügt, einfach nur rechtschaffen zu sein. Es kommt auch darauf an, ob der Feind gewillt ist, rücksichtslos vorzugehen.«
    Bird stand auf. Alle diese Dinge hatte er bereits endlos mit Maya diskutiert, ohne daß es zu einer Übereinstimmung gekommen wäre: »Unsere Feinde sind grausam und rücksichtslos.« Er sprach langsam und unterstrich seine Worte, indem er seine gebrochene Hand hochhielt. »Ich hatte Begegnungen mit einigen von ihnen, und ich kann mir nicht vorstellen, daß sie sich ändern – auch nicht unter dem Einfluß unseres friedlichen Verhaltens. Und noch etwas. Von diesen fünftausend Soldaten sind mindestens viereinhalbtausend Schwarze oder Mischlinge, Gelbe und Rote und alle Zwischenstufen. Und alle sind sie bitter arm. Deshalb sind sie ja in der Armee. Sie kommen aus einer Welt, die sich keiner von euch vorstellen kann. Ich kann sie mir selbst kaum vorstellen, obwohl ich dort zehn Jahre gefangen war. Eine Welt, wo die Hautfarbe schon alles über dich aussagt, daß du kein Geld hast, kaum etwas zu essen, ja nicht mal etwas zu trinken. Diese Burschen haben vermutlich noch niemals in ihrem Leben einen richtigen Bach gesehen. Die marschieren hier ein und fühlen sich hier wie im Paradies.«
    »So wird es wohl sein. Einige werden unsere Einladung vielleicht annehmen. Aber nicht alle. Wenn wir unseren Plan ausführen, werden einige von uns sterben. Das ist nicht das Schlimmste, schlimmer noch sind Gefängnis, Schläge, Folter.«
    »Und wenn wir kämpfen«, begehrte Lily auf.
    »Wir werden kämpfen, aber ganz anders«, sagte Nita.
    »Wenn wir mit Gewehren kämpfen?«, fuhr Lily auf. Sie saß auf ihrem Platz und sprach ganz ruhig, aber ihre Stimme war im ganzen Raum zu vernehmen, Überzeugung klang in ihr mit. »Werden dann nicht auch die Unseren sterben, gefangen genommen und gefoltert? Und was ist mit der Chance, einige unserer Feinde mit in den Tod zu nehmen?«
    »Richtig«, sagte Bird, »das darf man nicht außer acht lassen.«
    »Natürlich nicht«, sagte Lily, »aber das ist ein Luxus, den wir uns nicht leisten können. Wir halten hier auch kein Gericht ab. Wir stehen an einem Wendepunkt, und es kommt auf uns an, ob und was von dem was wir geschaffen haben überleben wird.«
    »Es wird überleben, wenn wir denen den Bauch aufschlitzen«, rief Cress vom Wasser Council. Er rückte das feuerrote Band zurecht, das seine dunkle Mähne aus der Stirn hielt. Er blickte Lily herausfordernd an und streifte Bird mit einem ebensolchen Blick. Er erinnerte Maya sehr an ein altes Poster von Che Guevara, das einmal in jener schmutzigen Küche hing, die sie sich mit Rio in den sechziger Jahren geteilt hatte.
    »Mierda«, dachte Bird, nicht Cress. Lily hatte recht behalten, sie hätte zuerst mit ihm allein sprechen sollen. Aber Bird hatte sich ihrem Gedanken widersetzt. Er erinnerte sich an Cress – es war vor zehn Jahren gewesen – damals nannte er sich noch Carlos, und er hatte so viel Talent mit der Gitarre gezeigt, daß die Musiker-Gilde ihm die Mitgliedschaft angeboten

Weitere Kostenlose Bücher