Das Fünfte Geheimnis
erübrigen?«
Die anderen tauschten Blicke.
»Wir haben nicht viel«, sagte Littlejohn.
»Sie kann meins haben«, sagte Lately.
»Wir werden alle etwas abgeben«, sagte Littlejohn. »Aber sei vorsichtig damit.«
Madrone nickte, zog einen der sauberen Lappen heraus, die sie in ihrem Rucksack verstaut hatte und machte ihn behutsam naß. Vorsichtig tupfte sie den Schmutz aus der Wunde. Was wollten sie von ihr? Sollte sie einen Zauberstab schwenken und die gesamte Situation verbessern, wenn es nichts gab, gar nichts, um damit zu arbeiten, nicht einmal die grundlegendsten Notwendigkeiten? Oh, sie war böse, nicht auf diese Männer, nicht einmal auf die rasengesäumten Villen, die auf dem Hügel über ihnen lagen, aber auf die reine Gier und die Verschwendung, die sie verkörperten.
»Es wird mir gut gehen heute Nacht«, murmelte Joan.
»Nein, das wird es nicht«, erwiderte Madrone. »Du hast eine sehr ernste Entzündung, und du mußt still liegen und ruhig sein und dich ausruhen.«
»Kannst du es nicht heilen?«
Madrone seufzte. »Ich kann dir mehr Energie geben und deinen Schmerz etwas erleichtern. Aber ohne die Wunde gründlich waschen zu können – sogar wenn ich auf magische Weise diese Menge von Bakterien töten könnte, der Schmutz würde die Wunde erneut infizieren.«
»Was können wir tun?« flüsterte Lately.
»Schaut euch nach Entzündungshemmern um, wenn wir die Apotheken ausrauben. Können wir sie nicht irgendwo hinbringen, wo man sich um sie kümmern kann?«
»Es gibt da Katy's Place unten in der Stadt«, sagte Littlejohn.
»Wie weit ist das?«
»Fünfzehn, zwanzig Kilometer.«
»Das ist zu weit.«
Littlejohn zuckte mit den Achseln. Madrone biß sich wieder auf die Lippen. Es war nicht der Fehler der Männer hier, daß all diese warmen und komfortablen Häuser, die so vergnügt am Bergkamm thronten, für sie verschlossen waren.
»Sie ärgert sich«, wandte sich Begood an Big John. »Da wo sie herkommt, passiert so etwas nicht.«
»Nein? Wunden entzünden sich nicht?«
»Es wird für die Leute gesorgt«, sagte Madrone, »was auch immer passiert. Und niemandem fehlt Wasser zu etwas so Grundsätzlichem wie Waschen.« Und dann mußte sie ihnen wieder von den strömenden Flüssen, und den Straßen voller Obstbäume erzählen, und den Gärten. Mein Märchen, dachte sie. Die Sonne stieg höher, und sie war überwältigt von der Anstrengung, nachdem sie für Joan getan hatte, was sie konnte. Sie rollten sich ein und schliefen im Schatten der Sträucher.
✳✳✳
Sie erwachten bei Sonnenuntergang, aßen einige Eicheln in Honig gestippt, tranken ein wenig. Als sich die Dunkelheit herabsenkte, wusch Madrone Joans Wunde. Sie war schwach und fiebrig und beschwerte sich nicht einmal, als sie sie allein ließen, in eine Decke gewickelt und mit soviel Nahrung und Wasser ausgestattet, wie sie erübrigen konnten. Sie gingen den Pfad hinauf und hielten an. Big John und Lately holten zwei Gewehre aus einem Versteck seitlich des Canyons. Littlejohn und Begood trugen ihre Lasergewehre. Lately gab Madrone eine Pistole, aber sie stand nur da, sah sie an und fühlte ihr kaltes Gewicht in ihrer Hand.
»Ich kann sie nicht nehmen«, sagte sie.
»Ich zeige dir, wie man damit feuert«, sagte Littlejohn. »Es ist die einfachste Sache.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich weiß, wie man schießt. Wir lernten es in der Schule. Unsere Lehrer sagten uns, wir müßten über Pistolen Bescheid wissen, um unsere Geschichte zu verstehen. Ich möchte aber niemanden töten.«
»Niemand will irgendjemanden töten«, sagte Littlejohn geduldig. »Wenn alles gut geht, werden wir es auch nicht. Es ist nur eine Vorsichtsmaßnahme.«
Sie erinnerte sich an das Gefühl der Gewehre, mit denen sie geübt hatten, der Rückstoß, wenn die Kugeln herauskatapultiert wurden, die Herausforderung, das Ziel zu treffen, und der Horror bei dem Gedanken, was diese Kraft lebendem Fleisch antun würde. Könnte sie den Abzug ziehen und das Leben eines Menschen auslöschen? Was, wenn sie ihr eigenes Leben sonst auf dem Spiel stand? Ihre Hand zitterte.
»Ich kann nicht.«
»Dann bist du eine zusätzliche Gefahr für uns«, sagte Big John. »Wenn du dich nicht verteidigst und uns nicht verteidigen willst...«
»Ich glaube einfach nicht, daß ich es tun kann.«
»Das weißt du nicht, bis du es versucht hast«, sagte Begood.
»Ich kann nicht.«
»Zwingt sie nicht«, sagte Littlejohn. »Sie wird eine größere Gefahr für uns sein, wenn sie
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