Das Fünfte Geheimnis
des Pools und hielten ihre Flaschen ins Wasser. Es fühlt sich erfrischend kühl an, dachte Madrone glücklich. Der Duft des Wassers hing hier überall in der Luft und spendete allem Erfrischung, so wie das Gefühl von Liebe Stärke verleiht. Sie füllte ihre zweite Flasche. Aus den Augenwinkeln sah sie, wie Littlejohn sich mit dem großen Kanister abmühte. Es war wunderbar, Wasser auf der Haut zu spüren. Ihre Haut lechzte nach Feuchtigkeit.
Nun waren die Flaschen voll. Gefahr hin oder her, sie mußte nun etwas trinken. Sie beugte sich vor und schöpfte mit der hohlen Hand Wasser. Herrlich! Genußvoll schlürfte sie das köstliche Naß aus der Hand. Sie mußte sich geradezu zwingen, schnell ein paar Schlucke zu trinken, so sehr war sie schon daran gewöhnt, jeden Tropfen langsam zu genießen. Trink, befahl sie sich, trink, trink von diesem unglaublich glasklaren, köstlich-kühlen Naß. Es war doch so viel davon da.
Das Wasser hatte zwar einen leichten Geruch und Geschmack nach Chemie, Chlor vermutlich, aber er war nur schwach und störte sie in ihrem Entzücken nicht. Sie fühlte, wie jeder Schluck ihr neues Leben schenkte. Sie legte sich auf den Boden an der Ecke des Swimmingpools und tauchte ihren ganzen Kopf ins Wasser. Oh, Diosa, wie angenehm kühl, wie herrlich naß! Es linderte die pochenden Schmerzen in ihrer Schläfe, kühlte die heißen Augen und spülte den grauen Staub von ihrem Gesicht. Oh Göttin! Sie wünschte, mit dem ganzen Körper einzutauchen in dieses erfrischende Naß. Die Kühle überall zu spüren und sauber und erfrischt wieder auftauchen! Was für ein Gedanke! Viel zu gefährlich, einfach verrückt. Sie blickte zu Littlejohn hinüber. Er kniete immer noch neben ihr und beugte gerade sein Gesicht zum Wasser hinunter.
Da barst etwas in Madrones Innerem. Sie riß sich das T-shirt herunter, die Hosen und ließ sich blitzschnell ins Wasser gleiten.
»Hast du den Verstand verloren? Verdammt nochmal«, hörte sie Littlejohn entsetzt rufen. Aber sie hörte es schon gar nicht mehr. Sie fühlte sich so leicht, fast gewichtslos im Wasser schweben, fühlte ihren ausgedörrten Körper liebkost vom Wasser, fühlte mit unaussprechlichem Vergnügen, wie kleine Wellen an ihrem Körper entlangglitten. Sie tauchte unter und spürte, wie Wasser, Wasser, Wasser sie überall umgab, durch ihre Finger strömte, über ihr Gesicht und ihre Haare plätscherte. In ihren Ohren klangen gedämpft Geräusche.
Sie tauchte wieder auf und blickte sich um.
Littlejohn war verschwunden. Ihre Wasserflaschen ebenfalls. Der Schrei einer Eule drang an ihr Ohr, am hellen Tag, das Signal für Gefahr. Oben auf der Straße wurden Stimmen hörbar, halb übertönt vom Geräusch eines Motors.
Oh Scheiße! dachte sie. Scheiße, Scheiße! Ich bin selbst schuld.
Sie mußte fliehen. Aber wohin? Die unheilvollen Geräusche waren direkt hinter dem Loch unter dem Drahtzaun zu hören. Wenn sie dort jetzt zu fliehen versuchte, lief sie diesen Leuten geradewegs in die Arme. Aber es gab ja keinen anderen Weg hinaus. Sie stand im Pool und fühlte sich wie gelähmt, wie in der Falle.
Die Stimmen kamen näher. Sie konnte es im Gebüsch auf dem Hang gegenüber krachen hören. Immer noch war sie wie gelähmt und wußte nicht, was tun. In der Kälte des Wassers fühlte sie sich wie erstarrt. Sie konnte zwar untertauchen und sich auf diese Weise ein wenig verstecken, aber eben nicht lange. Sie stellte sich vor, wie sie von einer Kugel getroffen untergehen würde, wie ihr Blut das schöne klare Wasser rot färben würde.
»Mädchen!« Der Klang einer Frauenstimme traf Madrone wie ein Peitschenhieb. Sie fuhr herum. Am Haus stand eine Frau. »Mädchen!« schrie sie wieder, »los, schnell, hier rein!«
Für einen Moment glaubte Madrone, Johanna riefe sie. Die Frau an der Tür sah ihr so verblüffend ähnlich. Sie sprang aus dem Pool, raffte ihre Kleidung zusammen und rannte über den Rasen. Soviel Geistesgegenwart hatte sie gerade noch: Nur keine Fußspuren auf den Kacheln am Poolrand zurücklassen! Die lauten Stimmen und das Motorengeräusch waren schon ganz nah. Sie verschwand im Haus, und die Tür schloß sich hinter ihr mit einem leisen Knall.
»Gib mir das!« befahl die Frau und griff nach Madrones Sachen. Gleichzeitig dirigierte sie sie in ein winziges Hinterzimmer neben der Küche. Sie mochte etwa fünfzig Jahre alt sein. Während sie in Figur, Körperhaltung und mit ihrer dunklen Haut wirklich Johanna sehr ähnlich sah, waren doch ihre
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