Das Fünfte Geheimnis
denken.
Sie marschierten weiter. Nach einer Viertelmeile machte der Pfad eine scharfe Biegung im Canyon. Und dort standen, entlang einer schmalen Straße, einige gepflegte, stattliche Häuser. Sattgrün leuchtete der Rasen hinter den weißen Staketenzäunen. Nein, hier wohnten keine armen Menschen. Eines der schönsten Häuser war weiß gestrichen, Stukkaturen verzierten Fenstersimse und Giebel. Ein glasblitzendes Gewächshaus zog den Blick auf sich. Es schien alles etwas unwirklich. Farne wuchsen üppig und Hibiskus mit orangeroten Blüten, die Blütentrichter von Engelstrompeten leuchteten sanft zwischen dem vielen Grün. Madrone wußte nicht, was sie mehr bewundern sollte.
»Was ist das?« fragte sie plötzlich.
Es schimmerte dunkelblau, noch blauer als der Himmel über ihnen. Weiße Wolken schienen darauf herumzuschwimmen, die Oberfläche kräuselte sich unter einem Windhauch, und die Wolken schienen zu erzittern.
»Ein großer Swimmingpool voller Wasser«, sagte Begood. »Reiche Leute haben so etwas, sie tauchen ihren ganzen Körper hinein und finden das schön.«
»An einen Pool habe ich zwar auch gedacht«, gab Madrone zurück, »aber ich wußte nicht, ob ich meinen Augen trauen kann.«
Sie konnten das Wasser geradezu riechen. Der Anblick allein ließ sie alle vor Sehnsucht erschauern.
»Bei den Göttern«, seufzte Begood, »es bringt mich geradezu um, wenn ich daran denke, da hinein zu springen.«
Madrone lächelte schwach. »Nein, es wird dich nicht töten. Höchstens wenn du unter Wasser versuchst zu atmen. Wo ich zu Hause bin, schwimmen die Menschen oft im Wasser.«
Er blickte sie verblüfft an, dann zuckte er mit den Achseln. Noch so etwas Unglaubwürdiges, wie sie es dauernd erzählte.
Madrone erinnerte sich an ihre Badeausflüge. Sie hatte in Flüssen gebadet, in Teichen und Bergseen geschwommen, war am Meer und im Schwimmbad der City gewesen. Aber es waren ferne Erinnerungen, sehr fern, und mit einem Anklang an unglaublichen Luxus.
»Der Zaun ist nicht zu weit vom Pool entfernt«, wurde Littlejohn praktisch, »und der Weg zum Pool kommt mir auch sehr angenehm vor. Glaubst du, daß es da Elektrofallen gibt?«
»Nein«, sagte Madrone, »ich würde es riechen.«
Littlejohn blickte sie etwas irritiert an, aber er sprach weiter. »Dann machen wir es so: Begood, du bleibst hier, nimmst das Gewehr und gibst uns Deckung. Ich gehe mit Madrone.«
»Warum kann ich nicht gleich mitkommen?« fragte Begood, »sie ist so schwach auf den Beinen.«
»Ich möchte, daß sie in Ruhe und langsam trinkt. Du bist gut mit dem Gewehr. Ich mache uns ein Loch in den Zaun. Dann füllen wir zuerst unsere Wasserflaschen. Erst danach darf jeder trinken. Wenn etwas passiert, flüchtet sofort jeder für sich.« Er wandte sich an Madrone: »Kennst du den Weg zurück? Gut. Trink nicht zuviel, sonst wird dir schlecht.«
Hijohn hatte Madrone die geographische Lage genau erklärt, ihr alle möglichen Wege und Pfade genau beschrieben und sich vergewissert, daß sie die Informationen auch wirklich verstanden hatte. Sie dachte an alles, was er ihr erklärt hatte. »Ich muß nur dem Gebirgskamm folgen, richtig? Die Feuer-Schneise verläuft ebenfalls dort bis zum Eichenwäldchen. Und von dort aus finde ich dann auch allein zurück.«
»Richtig. Marschiere nur nachts!« lobte Littlejohn.
Madrone nickte etwas bang. Oh Göttin, laß' es nicht so weit kommen! Sie folge Littlejohn den Hang hinunter, tief geduckt im Gebüsch. Vorsichtig bewegten sie sich zu den Häusern. Immer wieder hielten sie inne, denn sie waren auf das Schrillen oder Heulen einer elektronischen Alarmanlage gefaßt. Aber nichts rührte sich. Etwa zwanzig Meter vom Pool entfernt stand ein Maschendrahtzaun, gekrönt von Stacheldraht. Littlejohn machte ihr wortlos ein Zeichen. Zwischen zwei Pfählen war der Maschendraht weggerostet und wohl von Kaninchen noch weiter aufgebogen worden. Sie konnten mit etwas Mühe hier durchrutschen. Es war nicht nötig, den Draht durchzuschneiden.
Madrone nickte zurück, zwängte ihren Körper unter dem Drahtgeflecht durch und holte ihren Rucksack nach. Unter Herzklopfen hielt sie inne. Kein Laut, keine Bewegung. Littljejohn folgte ihr.
Schon während sie sich dem Pool näherten, nahmen sie ihre Wasserflaschen herunter und öffneten sie. Vorsichtig blickten sie sich um. Alles schien ruhig zu sein. Hinter den Fenstern des Hauses waren die Vorhänge zugezogen. Alles war still.
»Los!« befahl Littlejohn. Sie flitzten zu einer Ecke
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