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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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zu ihren Klavierstunden, am späten Nachmittag, wenn die üblichen Trainingsstunden vorbei waren. Zeitweise vergaß Bird sogar seine Ängste, wenn Rosa sich mit einem Musikstück abmühte.
    Eines abends, nachdem sie gegangen war, fand er sich selbst geistesabwesend am Klavier herumspielen. Mit steifen Fingern, seufzend, brachte er ein paar Akkorde hervor und dann sogar so etwas wie eine Melodie. Schließlich holte er Bleistift und Papier, und mit viel Mühe brachte er die Klänge, die aus seinem Inneren kamen, zu Papier. Nein, er konnte nicht spielen, höchstens ungeschickt und unter Schmerzen herumstümpern. Aber er konnte Musik aufschreiben, und vielleicht würde irgend jemand sie einmal spielen. Die Musik aufzuschreiben war fast wie ein Gespräch mit jemandem, der ihn verstand und nicht von Schuld und Verurteilung sprach. Er vergaß darüber die Zeit und seine Ängste. Später konnte er dann sogar allein schlafen.
    Es kam so weit, daß er sich jeden Abend mit Musik beschäftigte und auf dem Klavier jene Klänge heraussuchte, die er im Gefühl hatte. Die Mühe, die ihm das machte, schenkte ihm hinterher auch Befriedigung und innere Ruhe. Er hütete diese glückliche Stunden eifersüchtig, auch Sam und Maya durften dann nicht kommen. Musik wurde immer wichtiger für ihn, so wichtig wie Wasser.

Kapitel  21
    Der alte Freeway lief immer noch schnurgerade auf die City of Angels zu, Meile um Meile. Doch die Fahrbahnen waren von Bombentrichtern übersät, Betonbrocken lagen überall, dazu die Trümmer von Häusern, die beim letzten Erdbeben in Schutt und Asche gesunken waren. Wo sie halbwegs heil waren, drängten sich erbärmliche Hütten aus Wellblech, verkohlten Holzbalken und Pappe an die noch vorhandenen Wände. Schmutzige Kinder in zerlumpter Kleidung wühlten im Geröll nach noch brauchbaren Gegenständen. Sie blickten ihnen mit hungrigen Augen nach. Verkohlte Bäume reckten ihre zersplitterten Äste zum Himmel.
    Madrone und Hijohn suchten sich ihren Weg. Mal marschierten sie neben dem Freeway, mal stolperten sie auf schmalem Pfad durch die Trümmer. In den Bergen war der Frühling gekommen, ein spärlicher Frühling zwar, mit dünnem Gras und nur wenigen Blumen. Aber hier unten glühte der Asphalt bereits vor Hitze. Madrone begann daran zu zweifeln, ob sie eine gute Entscheidung getroffen hatte. Hijohn hatte ihr zugeredet, den Leuten in der City etwas medizinische Hilfe zukommen zu lassen. Es sei dort genügend Wasser vorhanden, hatte er geschworen. Der Gedanke war ihr gut erschienen, doch nun kamen ihr Zweifel. Die Canyons in den Bergen, so kärglich es dort zugehen mochte, hatten ihre ganz eigene herbe Schönheit. Aber diese Umgebung hier war einfach schrecklich. Ihre Bienen-Mal auf der Stirn brannte, ihr Instinkt witterte Gefahren von überallher. Sie bogen um ein ausgebranntes Gebäude und sahen eine lange Reihe von Menschen, die in der glühenden Sonne wartend dastanden. Die meisten hatten einen ergebenen, hoffnungslosen Ausdruck im Gesicht.
    »Die Wasserausgabe«, erklärte Hijohn, »wenn du eine Wasserkarte hast, kannst du dich hier jeden Tag anstellen und bekommst Wasser.
    Pro Tag eine halbe Gallone, das sind etwas mehr als zwei Liter.
    »Das ist doch nicht genug. Damit kommt man in dieser Hitze doch nicht aus.«
    »Vielleicht nicht«, gab Hijohn trocken zurück, »aber du kannst damit überleben. Und darauf kommt es an. Die Hardliners würden diese Wasserausgabe am liebsten unterbinden. Sie sagen, es würde nur den Müßiggang der unteren Klassen unterstütze.«
    Ein riesiger, fensterloser Betonblock erstreckte sich vor ihnen. Sie umgingen ihn vorsichtig auf trümmerübersäten Pfaden.
    »Eine Fabrik«, sagte Hijohn, »wir kommen nun ins Industrie-Gebiet.«
    »Sieht wie ein Gefängnis aus«, schauderte Madrone.
    »Man fühlt sich auch so da drinnen. Ich habe da mal kurz gearbeitet. Die Web-Leute dachten, ich könnte die Arbeiter vielleicht organisieren.«
    »Und wie war es?«
    »Die reine Hölle. Es geht Schlag auf Schlag. Lohnabzug, wenn du nur eine Minute zu spät kommst. Zehn Stunden Schufterei unter gleißendem Licht, ständig über einen Tisch voller Dinge gekrümmt, die so winzig sind, daß du sie ohne Lupe kaum sehen kannst. Wir haben irgendwelchen elektronischen Kram zuammengebaut. Mein Job war es, noch brauchbare Teile aus alten, kaputten Geräten auszubauen. Gelernt habe ich dabei nichts.«
    »Und konntest du die Arbeiter organisieren?«
    »Es gab schon eine Organisation, aber sie wird vom

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