Das Fünfte Geheimnis
unverbesserlich.«
»Ich bin eine Tochter des Flusses, von Oshun, der Göttin der Liebe.« Maya wandte sich wieder Rio zu. »Weißt du nun etwas oder weißt du nichts über Bird?«
»Kann ich nicht sagen.« »Nun, ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt jemanden wie euch in meiner Familie haben möchte.« »Warum nicht? Habe ich mich nicht immer wie ein perfekter Vater benommen?« »Du warst ein großartiger Vater zu allen Kindern, außer zu deinen eigenen.« »Und wessen Fehler war das? Wenn du oder Johanna mir erzählt hätten, daß sie existiert, wäre ich auch ihr ein guter Vater gewesen.« »Das macht nichts«, sagte Maya, »ich habe an deinen Fähigkeiten als Vater nichts auszusetzen. Nur als Sohn wärest du die Hölle.«
»Glaubt ihr, ich möchte das meinen Nachkommen antun? Wartet, bis Madrone Mutter wird, wartet nur ihr beiden, du und Johanna, sie ist eure Enkeltochter.«
»Nicht, daß sie im Moment Pläne in diese Richtung hätte, nicht nachdem Sandy gestorben ist.« »In meiner Familie werden solche Dinge nicht geplant«, sagte Johanna, »bei uns gibt es glückliche Zufälle.«
»So wie der glückliche Zufall, der sich ereignete, nachdem du es hier mit Mr. Superhengst gemacht hast?« Maya trat mit ihrem Fuß in Richtung Rio.
»Wer war, wenn ich dich erinnern darf, mein Freund zu dieser Zeit?«
»Das war kein Zufall. Das war ein an die Tür klopfender Ahne, der gern Rachel werden wollte.« Johanna streckte sich, gähnte und blinzelte. »Vielleicht ist Zufall hier nicht der richtige Ausdruck. Vielleicht sollte ich lieber sagen, ich bin empfänglich für Wünsche der Toten. Wie erklärst du dir sonst Rachel, eine 50jährige Medizinerin, vertraut mit den Tatsachen des Lebens, die sich von einem 26jährigen Mitkämpfer der Guadeloupe Befreiungsfront schwängern läßt?«
»Sie folgte dem schlechten Beispiel ihrer Alten.«
»Schau dich doch selber an, meine Liebe.«
»Ich war ziemlich unerfahren, als ich Brigid bekam. Und sie wäre von dir gewesen«, – sie drehte sich zu Rio –, »wenn du nicht im Gefängnis sterilisiert worden wärest.«
»Du warst doch praktisch schon in den Wechseljahren, aber das tut nichts zur Sache. Fest steht, daß Rachels kleine Tändelei uns Madrone bescherte und dein Seitensprung mit – wie war sein Name?«
»Carlos.«
»Richtig, wie dem auch sei, er schenkte dir Brigid und durch sie entstanden Marley, die Göttin hab ihn selig, und Bird. Und ohne sie alle stünden die Chancen noch schlechter.«
»Die Chancen auf was?«
»Die Chancen, daß unser nächstes Leben die erholsame, vergnügliche tropische Idylle wird, die ich im Moment plane, anstelle eines furchtbaren Aufenthaltes in einer Zuchtstation der Millennialisten?«
»Unser nächstes Leben?«
»Du, ich und Rio, unser kleines Trio. Das reimt sich sogar, hast du es bemerkt?«
Maya sah Johanna mißtrauisch an. Für einen Moment schien es, als hätte sie ein Bündel farbiger Broschüren in der Hand. Als sei sie gerade in irgendeinem Reisebüro gewesen. Gab es Reisebüros im Leben nach dem Tod, die einem spezielle Angebote für die Unterkunft im nächsten Leben machen konnten? Gewährten sie Gruppenrabatt?
»Wie kannst du Pläne für mein nächstes Leben machen«, fragte Maya, »wo ich doch noch in der Mitte meines jetzigen stehe?«
»Ich würde sagen, am Ende, nicht in der Mitte«, konterte Johanna, »deine Zeit läuft ab.«
»Noch bin ich nicht tot. Wie auch immer, haben wir nicht genug in diesem Leben geleistet, um uns einen gewissen Wohlstand fürs nächste zu sichern?«
»Das ist genau das, was niemand bei diesen Wiedergeburten zu verstehen scheint. Es ist nicht einfach eine Frage von Ursache und Wirkung, Belohnung und Bestrafung. Es ist eine Frage der Verfügbarkeit. Verstehst du, so lange das Leben auf diesem Planeten für die Mehrheit der Seelen nur aus Hunger, Folter und frühem Tod besteht. Glaube mir, außerhalb dieses schicksalhaften Fleckchens Erde ist das eine treffende Beschreibung der Lage. Solange nur ein paar Menschen ein Leben in Wohlstand führen, während die Massen sich in Not durchschlagen, solange müssen wir zurückkehrenden Seelen unseren gerechten Anteil zahlen, indem wir auf die Seite der Hungrigen wechseln.«
»Du denkst, das Leben, das du lebst, sei hart? Laß dir gesagt sein, es ist nichts gegen ein Leben, in dem du niemals an zwei aufeinanderfolgenden Tagen ein anständiges Essen bekommst oder schon im ersten Jahr nach deiner Geburt an verseuchtem Wasser
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