Das Fünfte Geheimnis
für sie.“
„Das kann ich nicht glauben.“
„Viele können es immer noch nicht glauben. Einige sagen, er muß ein bestimmtes Ziel damit verfolgen. Die anderen – na schön – deren Mißtrauen wird immer größer. Sie beschuldigen Bird.... Aber davon später.“
„Was für Beschuldigungen?“
„Bird hat in der Vollversammlung immer für gewaltfreien Widerstand plädiert. Manche glauben nun, daß er vom Feind dafür bezahlt wurde, daß es seine Aufgabe war, uns vom Kampf abzuhalten.“
Oh, Bird, armer Bird, dachte Madrone. Kein Wunder, daß ich dich nicht erreichen kann. „Und was denkst du, Sam?“ fragte sie laut.
„Ich habe ihn gesehen, ich habe mit ihm gesprochen. Er kommt fast jeden Morgen auf die Plaza, um Wasserrationierungskarten zu verteilen. Aber niemand nimmt eine.“
„Und weiter?“
„Ich glaube, sie haben Schreckliches mit ihm gemacht. Wer ist schon ein Übermensch, Madrone? Wir alle kommen mal an unseren schwachen Punkt.“
„Das ist wahr“, sagte Isis, die bisher geschwiegen hatte.
Madrone versuchte, Bird geistig zu erreichen, doch sie konnte nur eine Mauer spüren, eine Mauer aufgerichtet gegen Schmerzen. Schmerzen, die sie nicht erkennen konnte. Bird, mein Liebster, sei mir gegrüßt. Mein Liebster, wo bist du jetzt? Was haben sie mit dir gemacht?
„Und wie war es in den Southlands?“ fragte Sam.
„Das ist eine lange, lange Geschichte. Ich habe viel dazugelernt, vor allem über mich selbst. Ich weiß nicht, ob ich viel erreicht habe, aber ich habe es jedenfalls versucht.“
„Hast du etwas über die Booster erfahren?“
„Ja, ein wenig. Ich habe jetzt konkrete Hinweise darauf, wie sie funktionieren. Und mit den Monstern habe ich ein Entzugsprogramm entwickelt.“
„Unser Verdacht ist, daß sie wie synthetische Cytokine funktionieren“, warf Sam ein.
„Du hast es erfaßt. Wir haben ein Muster im Boot und auch andere Informationen, die dir vielleicht helfen. Haben wir noch Zugang zu den Datenbanken?“
„Nein, aber die Stewards auch nicht. Die Computerkristalle streiken einfach –- sie funktionieren unter Streß eben nicht. Schlau, diese Steine, was? Aber Madrone, wie geht es dir? Ich meine, bist du okay? Nicht verwundet oder so?“
„Ich bin in Ordnung, Sam. Nur todmüde, aber wenn ich eine Nacht ruhig schlafen kann, bin ich wieder fit.“ „Wunderbar, hört sich gut an. Wenn du ausgeschlafen bist, haben wir nämlich einen Job für dich.“
Madrone blickte sich genauer um. „Wie sicher ist es hier, Sam?“ fragte sie. „Hier im Haus, meine ich. Ich habe im Boot noch drei andere Frauen. Eine von ihnen hat vor drei Tagen ein Kind bekommen. Außerdem haben wir ein krankes Mädchen an Bord.“
„Nichts in dieser Stadt ist noch sicher. Aber sie könnten alle bei den Schwestern nebenan schlafen. Und schickt euer Boot zurück über die Bay. Wir haben im Council beschlossen, daß kein Boot auf dieser Seite verfügbar sein darf, um eine weitere Invasion möglichst zu erschweren. Bisher hat die Strategie gut funktioniert. Wir haben die Brücken gesprengt, noch bevor die Stewards nahe genug waren. So mußten sie ihre Truppen auf die Halbinsel konzentrieren, und wir konnten die Infektion isolieren.“
„Ihr habt die Brücken gesprengt? Nicht sie?“
„Soweit sie nicht aus der Luft schon zerbombt waren. Offen gesagt, ich glaube nicht, daß die Stewards ausreichend technisch bewandert sind, sie zu reparieren. „
Madrone seufzte. Was für ein Schock. Die Citybewohner hatten die Brücken selbst gesprengt. Aber was wir zerstört haben, können wir eines Tages wieder aufbauen, dachte sie.
„Und was machst du hier, Sam? Was ist mit dem Krankenhaus?“
„Das haben die Stewards übernommen. Dort konnten wir unmöglich die Deserteure unterbringen. Als alles anfing, also um ehrlich zu sein: Maya und ich, wir haben hier ganz gemütlich gehaust, dann brachte ich notgedrungen einige von den Kranken hierher und nun...“
„Sam, du alter Hund!“
„Ich liebe sie, Madrone. Geh rauf, und besuch sie, sie hat sich solche Sorgen um dich gemacht.“
✳✳✳
Auch der Ritual Raum war notdürftig als Krankensaal hergerichtet. Madrone stieg vorsichtig über schlafende Gestalten, suchte sich einen Weg ans andere Ende des Saals, wo Maya saß und aus dem Fenster sah. Der Vollmond hing über Twin Peaks. In seinem Licht sah Mayas Haar wie Silber aus und ihr Gesicht war fahl.
„Ich kann ihn nicht erreichen“, sagte sie, ohne sich umzudrehen, „er ist wie eine verschlossene
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