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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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mit bebender Stimme. Die anderen Stewards nickten zögernd, tödliche Angst in den Augen. Es war Bird, als hörte er eine Trommel den Totenmarsch schlagen, dumpf, getragen, mit drohendem Unterton. Nur noch das kleine Mädchen schluchzte. Eine ganze Phalanx von weißen Gestalten beugte sich über Nullneun und trug ihn fort.

Kapitel  32
    Im Mondlicht warf die Golden Gate Bridge einen gewaltigen Schatten, als das Boot sie passierte. Durch die riesigen Lücken der zerstörten Stahlkonstruktion schaute der leere Himmel. Wo einst Lichtergirlanden geleuchtet hatten, herrschte jetzt Dunkelheit. Eine Warnung an uns alle, sann Madrone. Die große Stadt mit ihrer langen Geschichte, ihrem Überfluß, ihrem Leben voller Freiheit, ihrer Magie, ihren einst so lebendigen Hügeln, war verschluckt von undurchdringlicher Finsternis. War womöglich alles zerstört?
    Ruhig, befahl sie sich. Du wirst es früh genug erfahren. Isis hatte ihr für die Passage durch die Bay das Ruder übergeben. Und so steuerte sie das Boot jene Strecke, die sie so gut kannte, im Lee von Angel Island, vorbei an Alcatraz, umrundete die Landzunge und fuhr hinaus in die offene Bay und südlich unter der Bay Bridge hindurch, die ihre zerstörten Pfeiler in den Himmel reckte.
    Es ist wie die Rückkehr zu einem Liebhaber, dessen Arme gebrochen sind, dachte sie bitter. Die Brücken waren mehr als nur technische Konstruktionen, sie waren Symbole der City selbst, Bestandteile der Landschaft, ebenso Twin Peaks oder Mount Tamalpais im Norden.
    „Ich sag euch, was wir tun sollten“, sagte Madrone, „wir ankern hier. Isis und ich nehmen das Beiboot und rudern zur Küste, mal schauen, was so passiert ist. Ihr wartet hier auf uns.“
    Die südliche Wasserfront war schon immer Madrones bevorzugtes Revier gewesen. Hier erstreckten sich Docks und Werften, mehr als eine halbe Meile lang. Normalerweise herrschte hier ständig ein buntes Treiben, Tag und Nacht. Fischerboote kamen von See, andere fuhren hinaus, dorthin, wo es noch Fische ohne Gift gab. Meist arbeiteten kleine Gruppen auf den riesigen Filterbänken, die dem auflaufenden Wasser Schwermetalle und Gifte entziehen sollten. Die Arbeit folgte dem Rhythmus von Ebbe und Flut. Auf den Märkten hinter den Docks wurden Shrimps, Krabben und Austern feilgeboten, gezüchtet in den gefilterten Wassern. Die kleinen Restaurants und Bistros waren meist brechend voll mit fröhlichen Menschen. Lärmende Mühlen verwandelten Muschelschalen in Dünger für Felder und Gärten. Tagsüber lernten Kinder das Segeln mit kleinen Jollen, paddelten in Kanus am Ufer entlang oder zeigten ihre Surfkünste. Am Himmel kreischende Möwenschwärme, während Reiher im flachen Wasser herumstolzierten.
    Die Docks errinnerten sie stets an ihr erstes Jahr an der Universität. Das war vor den großen Epidemien. Es war toll, das quirlende Leben der City zu beobachten und dann nach Hause zu kommen. Sie hatte die Baybridge mit dem Zug oder mit dem Fahrrad überquert, aber wann immer es möglich war, segelt sie. Mit einem Boot zu landen, das hatte stets etwas von der Ankunft nach einer langen, geheimnisvollen Reise an sich, etwas von einer anderen Welt. Würde irgend jemand in ihrer Wohnung sein und sie willkommen heißen?
    Madrone und Isis machten das Beiboot an einem Bootssteg fest. Dann gingen sie an Land. Vorsichtig blickten sie um sich. Sie wanderten über die verlassene Kaistraße, die sich westwärts bis in die City schlängelte. Sie wußten, worauf es bei einem solchen nächtlichen Streifzug ankam. Behutsam wie Katzen gingen sie vor, lauschten auf verdächtige Geräusche aus der Dunkelheit. Da gehe ich durch meine eigene Heimatstadt, dachte Madrone, als wäre ich der Feind. Die großen Gemeinschaftshäuser und die kleinen Cottages standen schweigend da, umgeben von Obstbäumen und Gärten, eingebettet in ein Wirrwarr von kleinen Straßen, Gäßchen und Wasserkanälen – doch es floß kein Wasser. Die Gärten waren verwildert, Unkraut wucherte und alles sah vertrocknet aus.
    Aus der Ferne kam ein schwaches Rumpeln, wie Donner – oder eine Explosion? Sie gingen weiter. Mit jedem Schritt, den sie ihrem Heim näher kam, wurde es Madrone bang und bänger. Was würden sie vorfinden?
    Plötzlich ein Rauschen – und Wasser gurgelte durch die Kanäle, schäumte auf, wo es sich am Ufer brach. Wie Figuren in einem lautlosen Tanz kamen aus allen Häusern Menschen. Schweigend tauchten sie Schläuche in die vorbeirauschende Flut, füllten Wannen, Eimer,

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