Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
ich tun. Wenn dein Messer mehr als nur eine Energieform wäre, wenn es aus scharfem Stahl wäre, ich könnte diesem Mann damit sein kaltes Herz herausschneiden, ja herausreißen. Ach, wenn wir das nur tun könnten, Mutter, alle die eiskalten Herzen herausschneiden, den menschlichen Abschaum von der Erde verschwinden lassen. Wer hat das doch gesagt? Einer der Erzengel, oder nicht? Ich verstehe das sehr gut. Göttin, versage mir jetzt den Geist der Bienen, sonst erkenne ich womöglich die kranken Gefühle dieses Mannes und steche ihn zu Tode, um den Bienenstock zu schützen.
    Wut durchzuckte sie, heiß stieg er in ihrem Bauch auf, barst zu lodernden Flammen in ihrer Brust. Oh, wie satt ich es habe, Heilerin zu sein! Wie gern würde ich zerstören, alles zerreißen mit meinen Nägeln, Menschenfleisch essen und zu allem nein, nein, nein schreien. Bis alles vorüber ist und neu beginnen kann, sanft und freundlich. Ich habe nicht getötet, dachte sie, und ich will nicht töten, nicht, wenn Lily im Zimmer nebenan sitzt, aber, Diosa, eigentlich möchte ich töten, um aufzuräumen, sie bezahlen lassen für alles Leid, Gerechtigkeit üben und Rache.
    Madrone fühlte, wie ihr Körper zu neuem Leben erwachte. Sie wollte tanzen, die Zivilisation mit Füßen treten. Mit ihren Händen Donner und Sturm herbeirufen und die Felder im Schweiß ihrer Brüste ertrinken lassen. Erzählt mir nichts von Mitgefühl, erzählt mir von brennenden Wäldern, von Vulkanausbrüchen, von Wirbelstürmen, die alles niederwalzen. Göttin, du hast die Welt nicht recht geschaffen. Was du geschaffen hast, trägt Krankheit und Gift in sich. Laß alles verschwinden, beginn noch einmal von vorn.
    Ihre Hände fühlten sich merkwürdig heiß an. Ja, sie war der Vulkan, glühende Lava floß aus ihren Händen. Wenn ich ihn jetzt berühre, verzaubere ich ihn, verwandle ich ihn, es geschieht ihm recht. Sie streckte den Arm aus und griff nach der Hand des Soldaten. Eine Aura, wie eine rote Flamme umschloß ihrer beiden Hände.
    Seine Hand war kalt, eiskalt, aber sie fühlte sich bekannt an, war wie ein Teil ihrer Selbst. Es war wie eine Erinnerung an etwas, das sie schon immer gekannt hatte. Wir sind uns ähnlich, erahnte sie, in gewisser Weise Fleisch von einem Fleisch. Aber wie kann das sein?
    Die Flamme veränderte sich. Sie wuchs und wuchs, bis sie alles mit reiner Farbe umgab, rotgolden und in der Mitte leuchtend blau wie kristallklares Wasser.
    Und dann fiel sie ins Wasser, ein Ozean schwemmte sie fort.
    Die Wogen trugen sie empor, durchdrangen ihren Körper und ihr Gehirn. Das Zimmer schien sich zu öffnen, weißgoldenes Licht strömte zitternd und klingend herein. Das Zimmer, die Mauern, der Mann – alles löste sich auf, bis nur noch das Spiel von Farben und Harmonie blieb, schön wie Eis in der warmen Wintersonne. Ja, alles war nun warm, ihre eigenen Hände, ihr Herz, ihr Zorn war verschwunden, von den Flammen aufgezehrt, von den Wogen hinweggespült, und alles war erfüllt von neuer Hoffnung.
    Seine Hände wurden warm unter ihrer Berührung. Sie begann zu heilen, und das war nur ein Hinüberreichen und Anbieten ohne Urteil. Sie ließ diese Kräfte einfach fließen.
    Schweigend saßen die beiden die ganze Nacht, hielten sich bei den Händen. Äußerlich bewegte sich nichts. Innerlich ließ Madrone leuchtende Farben über graue Schlammwege fließen, freundlichen Regen auf ausgedörrte Felder niedergehen, weinte über Leichnamen und grub einen häßlichen zerfurchten Stein aus, der langsam zu zucken begann und zu schlagen wie ein warmes, menschliches Herz.
    Die Nacht wich. Der Himmel vor Lilys Fenster wechselte seine Farbe von tiefdunkelblau zu zartem hellblau. Schließlich blickte der Mann auf. Er hob den Kopf so langsam wie ein Blütenkelch sich nach frostiger Nacht vorsichtig öffnet. Scheu blickte er Madrone an, und als er ihren Blick gewahrte, sah er schnell wieder fort.
    „Mein Name ist Madrone“, sagte sie sanft, „und du?“
    „Hab' keinen Namen.“ Seine Stimme war leise und tonlos, er sprach abgehackt, mühsam nach Worten suchend.
    „Du hast keinen Namen?“
    „Nummer Nullneun, fünf, dreiunddreißig, sechzehnhundert, fünfte Einheit.“
    „Oh, und wie nennen dich die Leute?“
    „Nullneun.“
    Feurige Flammen standen zwischen ihnen. Er schien sich plötzlich zu schämen, ein Mann, der nicht einmal einen Namen hatte. Wie konnte sie sich vor ihm fürchten?
    „Was werdet ihr mit mir machen?“
    Er hatte Angst vor ihr. Madrone dämpfte ihre

Weitere Kostenlose Bücher