Das Fünfte Geheimnis
bin ich? Und was ist mit mir passiert?“
„Was passiert ist? Du hast deine unsterbliche Seele entdeckt“, sagte Madrone, „deine Machthaber meinen ja, du hast keine. Aber das ist nicht wahr.“
„Und nun hast du mir einen Namen gegeben“, sagte River, „ich muß jetzt zu euch gehören.“
„Wir gehören zusammen“, gab Madrone sanft zurück, „wirst du uns nun helfen?“
„Alles, was du willst.“
„Ich möchte Bird retten.“
„Yeah, dieser zähe Kerl, dieser unglaubliche Bursche. Aber nun wollen sie ihn in die Knie zwingen.“
„Und alle anderen auch. Da ist ein Mädchen, eine kleine Freundin von mir und von Bird.“
„Dieses dünne Mädchen, das sie ihm ständig vorführen?“
„Ja, was ist mit ihr passiert?“
„Ich weiß nicht. Sie schleppten sie die ganze Zeit herum. Mal war sie unten im Keller eingesperrt, mal in einem anderen Gebäude.“
„Kannst du sie finden? Ich glaube, sie benutzen das Mädchen, um Bird zu erpressen. Damit er tut, was sie wollen.“
„Das stimmt. Okay, vielleicht kann ich sie finden. Ich muß aber zuerst wieder Kontakt mit meiner Einheit haben. Hören, was sie sagen.“
Madrone seufzte. „Ich denke, vorher muß ich dich erstmal gesund bekommen. Dann können wir weitersehen.“ Sie nickte vor sich hin.
Nun mußte Neullneuns, nein Rivers Vertrauen gefestigt werden. Das war wichtig. Sie stand auf und ging in Lilys Küche, wo die alte Frau am Tisch saß und eingenickt war. Als Madrone eintrat, erwachte sie.
„Ich habe ihn zum Sprechen gebracht“, sagte Madrone, während sie eine kleine Schüssel mit Honig füllte.
„Wunderbar!“
„Du hast recht gehabt, Lily. Ich kann ihn nicht hassen. Ich fühle mit ihm.“
Lily lächelte. „Wir werden siegen, du weißt es. Heute Morgen kann ich wieder an Wunder glauben.“
Lily folgte ihr ins Wohnzimmer, blieb jedoch in der Türe stehen, so daß das ganze Zimmer zwischen ihr und River lag.
Madrone setzte sich wieder vor River hin, mit der kleinen Schüssel voll Honig in der Hand. Kann ich dies wirklich tun, fragte sie sich insgeheim verwundert. Habe ich genügend Kraft? Sie schloß die Augen, und plötzlich war ihr, als hielte jemand ihre Hände. Wärme durchströmte sie, eine geheimnisvolle Stärke wuchs in ihr, schwellend, strömend, überfließend. Die Hände meiner Mutter. Wir sind nicht mehr voneinander getrennt. Jetzt erst habe ich meine volle Kraft. Sie atmete tief und konzentrierte sich auf ihren Bienensinn. Sie versank tief in Trance. So tief, daß sie Rivers Chemie an seinem Geruch ablesen konnte. Furcht und Schmerz und ein Immunsystem, das nahezu funktionsunfähig war. Sie konnte die Muster in seiner Ch'i-Welt sehen, sie konnte erschmecken, was ihm fehlte. Ihrem eigenen Körper konnte sie befehlen, das für ihn bereitzustellen, gebraut aus ihren eigenen Hormonen und Proteinen und abgesondert über die Bienennarbe auf ihrer Stirn. Sie senkte ihren Geist und Körper über ihn, ließ mit ihrem Schweiß auch Willensstärke, Ruhe und Gesundheit auf ihn tropfen, auf ihn übergehen. Sie griff in die Honigschüssel und fing an, River damit zu füttern.
River hatte sie zunächst ängstlich, dann zunehmend fasziniert beobachtet. Nun tat Madrone die tiefen Atemzüge, die sie aus der Trance zurückbrachten. Sie sah ihn an und lächelte.
„Hab' keine Angst“, sagte Madrone, „ich werde dir noch ein Geschenk machen.“
„Was denn?“
„Deine Freiheit. Probiere diesen Honig. Schau, er ist harmlos, ich tu's auch.“ Sie tauchte ihren Finger in die Schüssel und ließ die Süße auf ihrer Zunge zergehen. Wärme, Kraft und Energie rannen durch sie hindurch. „Iß davon. Der Honig wird dich verwandeln, es ist ein Zauber. Iß davon und du wirst keine Booster brauchen.“
Vorsichtig tauchte River seinen Finger in den Honig und kostet, wieder und wieder. „Hm, schmeckt gut.“
„Es ist gut. Mach weiter, iß mehr davon!“
„Wir haben etwas, was dir beim Essen hilft“, sagte Lily von der Tür her. „Wir nennen es einen Löffel. Du kannst auch Toast zum Honig haben. Möchtest du das, Soldat?“
„River“, sagte Madrone, „er hat jetzt einen Namen, er heißt River.“
River nickte stolz, und Lily ging hinaus, um Toast zu holen.
„Wenn dieser Honig mir hilft“, lächelte River, „werde ich euch eine ganze Armee herbeischaffen.“
„Die können wir brauchen.“
Kapitel 35
Ich halte es nicht mehr aus“, sagte Maya zu sich selbst. Ruhelos wanderte sie durch das ganze Haus, unfähig, sich irgendwo
Weitere Kostenlose Bücher