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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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etwas anderes, und sie fing gerade erst an zu erkennen, wie es sich anfühlte, aber sie konnte es noch immer nicht sehen, sie konnte ihm nur folgen, tiefer und tiefer.
    »Wohin treibst du in deinen Gedanken?« sagte Maya energisch. Sie griff fest nach Madrones Arm und rüttelte sie. Madrone richtete sich mit einem Ruck auf. Sie spürte einen starken Schwindelanfall und kämpfte gegen die Übelkeit an.
    »Diosa, Maya, mach das nicht noch einmal mit mir!«
    »Ich habe dich dreimal gerufen.«
    »Wirklich, das habe ich nicht gehört, ich war zu weit weg.«
    »Du sollst nicht so in Trance gehen, ungeschützt und ohne Erdung. Du hast nicht einmal einen Kreis gezogen.«
    »Ich wollte nicht in Trance geraten. Ich dachte nur über Consuelo und den fremden Virus nach. Oh, in Ordnung, ich vermute, ich begann danach zu suchen.«
    »Sei bloß vorsichtig. Du fängst an, von der Sache besessen zu sein und Bessenheit öffnet dem Bösen die Tür. Habe ich dir jemals die Theorie der alten Curandera, der weisen Ärztin, erklärt?«
    Madrone grinste: »Mindestens ein dutzendmal.«
    »Nun ich werde es dir besser noch einmal erklären, denn du scheinst es nicht zu verstehen. Doña Elena pflegte zu sagen, daß es die sogenannte gute Wirklichkeit oder auf Spanisch, El Mundo Bueno, gibt und die schlechte Wirklichkeit oder El Mundo Malo. Diese beiden Welten konkurrieren immer miteinander. In der guten Wirklichkeit hast du leichte Kopfschmerzen, in der schlechten eine verhängnisvolle Gehirnkrankheit. In der guten Wirklichkeit kannst du das Geländer erreichen, wenn du ausrutschst, in der schlechten Wirklichkeit verfehlst du es, fällst die Treppen hinunter und brichst dir das Genick.«
    Sie hielt kurz inne: »Wir laufen in der guten Wirklichkeit wie über dünnes Eis. Es ist immer möglich einzubrechen und zu ertrinken. Wenn du ein unnötiges Risiko eingehst, besonders bei magischer Arbeit, wie du es gerade getan hast, ist es, als stecktest du dem Schicksal die Zunge heraus. Du forderst die schlechte Wirklichkeit heraus, dich hinunterzuziehen. Und es heißt, daß El Mundo Malo niemals eine Herausforderung verliert.«
    »Wer sagt das?«
    »Alle. Verstehst du? Die Körperlosen, die Allgegenwärtigen, die Geister. Ihren Rat kannst du nur auf eigene Gefahr ignorieren.«
    »Ich höre immer auf deinen Rat, Madrina. Nur manchmal nehme ich ihn nicht an.«
    »Da ist auch eine hoffnungsvolle Seite an Doña Elenas Lehre«, fuhr Maya fort, »selbst in El Mundo Malo ist die gute Wirklichkeit immer genau auf der anderen Seite der Oberfläche. Wenn du lernen kannst, diese zu erreichen und dich sozusagen selbst hinüberzuziehen, dann kannst du Wunder vollbringen.«
    »Ich werde mir das merken«, sagte Madrone. Denn diese Welt und diese Zeit scheint mehr und mehr nach Wundern zu verlangen. Sie stand auf und stellte ihre Teetasse zurück auf das Tablett. »Hast du deinen Tee ausgetrunken?«
    »Nein, ich habe mich mit dir unterhalten. Laß alles hier stehen, ich wasche die Tassen später ab. Hast du schon etwas gefrühstückt?«
    »Bist du hungrig? Ich mache dir was«, bot Madrone an.
    »Nein, ich möchte, daß du etwas ißt. Ich selbst brauche nichts.«
    »Ich werde essen, wenn ich hungrig bin.«
    »Schlaf' noch ein bißchen. Ruh' dich aus. Du bist ausgelaugt.«
    »Das werde ich.« Madrone beugte sich vor und küßte Mayas Wange. »Aber später. Heute bin ich dran, die Heiler bei der Versammlung zu vertreten, und ich komme eigentlich jetzt schon zu spät.«

    ✳✳✳

    Die gewölbte Versammlungshalle lag eingebettet zwischen den zwei Hügeln des Twin Peak. Madrone stieg schnell aus der Gondel, die sie den Hügel hinaufgebracht hatte, und sprang die Treppe hinunter, indem sie jeweils zwei Stufen nahm. Die Sitzung hatte schon begonnen, als sie die Halle durchs Tor der Luft im Osten betrat.
    Das Versammlungshaus war für jeden geöffnet, aber jedes Viertel in der City und jedes Arbeitskollektiv wählte die Redner aus, die jeweils einen Tag pro Woche anwesend waren, ehrenamtlich. Alle Heiler wechselten sich ab, so daß jeder aufgefordert war, einen oder zwei Tage im Monat diesen Treffen zu widmen. Einige Gilden wählten Repräsentanten, die eine festgelegte Zeit dienten, um Kontinuität herzustellen.
    Aber kein Heiler konnte mehrere Wochen oder Monate entbehrt werden.
    In den vier Ecken des Raumes waren die Heiligen Stimmen aufgestellt, die in Trance für die Vier Heiligtümer sprachen. Im Norden, in der Himmelsrichtung der Erde saß die erste Stimme mit der

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