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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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Jetzt, wo er merkt, daß ich mich wieder erinnern kann, daß ich Gedanken fassen und ausführen kann, bin ich ein Fremder für ihn.
    »Einige wurden verurteilt und starben. Andere wurden freigelassen, und viele kamen ins Arbeitslager.«
    »Was ist mit diesen Lagern? Erzähl' doch mal.«
    »Da möchtest du bestimmt nicht hin, glaub's mir ruhig. Du bist hier viel besser aufgehoben, selbst wenn Harris ständig auf deinem Hintern reitet. Alle im Lager müssen arbeiten und zwar überall wo kein normaler Mensch hin will, weil es zu gefährlich oder zu giftig ist, müssen sie ran. Das halten sie nur unter Drogen durch. Es gibt immer wieder schreckliche Unfälle. Die meisten sind nach drei Monaten tot.«
    »Und wie wird man dafür ausgewählt? Kann man sich freiwillig melden?«
    »Du bist lustig. Freiwillig! Nein, es ist wie alles hier, du hast keine andere Wahl, du mußt. Eines Tages bist du einfach dran und damit basta.«
    »Vielleicht sind wir eines Tages plötzlich dran. Vielleicht gibt's dabei eher eine Gelegenheit zur Flucht, irgendwie?«
    »Setze lieber nicht darauf.«
    Schließlich versuchte Bird es mit der einfachsten Art von Magie, die er kannte:
    Er versuchte einen Zauber. Dabei mußte er sich mit den simpelsten Dingen begnügen: Schamhaare, ihr vermischtes Sperma, Barthaare von Littlejohn, seine eigenen Kopfhaare. Er rollte die Haare zu einer winzigen Kugel zusammen, tränkte sie mit dem Sperma und versteckte alles unter seinem Daumennagel. Dann wartete er, bis er beim Korridor-Schrubben allein war.
    Niemandem fiel auf, daß er mit seinem Besen beim Fegen Kreise schlug, daß er in den vier Himmelsrichtungen kleine Pausen machte. Nicht, daß er etwa die Himmelsrichtungen exakt bestimmen konnte, doch er tat sein Bestes. Er beschwor stumm und inbrünstig die Vier Heiligtümer, Erde, Wasser, Feuer, Luft, seine Verbündeten, seine Helfer. Es war nicht wie früher, als er die Kräfte seinen Körper durchströmen fühlte, wie ein phosphoreszierendes Feuer. Es waren nur Worte und ein Gefühl der Notwendigkeit.
    Er rief die Mutter an, den ersten Aspekt der Großen Göttin, den jedes Kind kannte, die Behütende in ihrer ganzen Fülle. Ihre Brüste hatten die Fülle des vollen Mondes, ihre Milch strahlte in sanftem Weiß über die Erde und bewegte die Meere, brachte Fruchtbarkeit mit sich. Er betete, daß er den Mond wieder mit eigenen Augen sehen würde, das silbrige Licht auf seinem Gesicht und Erdkrumen unter seinen nackten Füßen spüren würde. Er stammelte Gebetsfetzen und fand nur ganz einfache Worte für seine heißen Gefühle.
    »Bitte hilf! Santa Lucia, Heilige Göttin, Mutter Erde, bring mich hier raus!«
    Seine Phantasie überschwemmte ihn mit einer Fülle von Fluchtbildern. Bird versuchte, realistische Ideen herauszufiltern. Nüchtern prüfte er Gedanken für Gedanken auf seine Durchführbarkeit. Dann baute er, während er fegte, ein magisches Bild in seiner Phantasie auf. Er versuchte mit seinem Geist nach dem Plan zu tauchen, einen Faden aufzunehmen vom Gewebe der Wirklichkeit, um es mit seinem Willen neu zu gestalten. Doch ihm gelang nur eine schwache Visualisierung. Er sah Hijohn, Littlejohn und sich selbst draußen in den Bergen stehen, seine Nase roch den Duft von Erde, von Sonnenglast, und ein Hauch von Meer hing in der Luft. Der Geruch der Freiheit! Vorsichtig holte Bird den kleinen Haarball aus seinem Versteck, küßte ihn inbrünstig. Sein Atem übertrug alle Gedanken, Sehnsüchte und Hoffnung auf das kleine durchfeuchtete Haarknäuel. In Gedanken verneigte er sich tief in die Vier Heiligen Richtungen – und arbeitete weiter, als sei nichts geschehen. Dann wurde er gerufen, die Wachstube zu putzen. Mechanisch verrichtete Bird seine Arbeit, und in einem unbewachten Moment warf er das kleine, verfilzte Haarknäuel ins Gehäuse des Computers.
    Die ganze Sache war wie eine Übung in Sinnlosigkeit. Er konnte keine Kraft aufbauen, und seinen Geist konnte er nicht in jenes andere Reich schicken. Doch er erinnerte sich, was Maya ihm früher über die heilige Zeremonie gesagt hatte: »Aus echter Not erwächst neue Stärke«. Die Göttin mußte es wissen, er war in schwerer Not.
    Am späten Nachmittag mußte er wieder in der Nähe der Wachstation putzen. Er hörte, wie sich die Soldaten unterhielten.
    »Was ist mit diesem Burschen aus den Bergen? Die Zentrale verlangt einen Bericht über ihn.«
    »Über den kleinen Teufel? Dem geht's gut, der läuft hier irgendwo herum und putzt.«
    »Was soll das heißen? Du

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