Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
Vom Netzwerk:
einschloß und sich verband mit ihrem Wunsch und Willen, zusammenzukommen. Als er fühlte, daß die Energie im Kreis ein Ganzes wurde, erdete er sie, indem er sie durch seinen Körper hinabschickte in die Erde und sie schließlich wieder heraufholte. Er sah in die Runde. Es war geschehen, was er gehofft hatte: Ihre Energiemuster hatten sich verändert und sie waren jetzt wirklich alle mit der Erde verbunden.
    Er begann im Norden und ging um den Kreis herum. Er benutzte jetzt das Messer und schlug um alle herum einen Schutzkreis in die Luft, der als flackernde blaue Flamme sichtbar wurde. An allen vier Enden schlug er ein Pentagramm. Hinter sich hörte er verwundertes Murmeln, so als hätten sie nie zuvor gesehen, wie sich der Schutzkreis materialisiert. Möglich, daß es so war, überlegte er, während er das Messer auf den Altar zurücklegte.
    »Bei der Erde, die
ihr
Körper ist und bei der Luft, die
ihr
Atem ist und beim Feuer, das
ihr
glänzender Geist ist, und bei den lebendigen Wassern
ihres
Schoßes, der Kreis ist geschlossen«, sagte er.
    Sie riefen die vier Himmelsrichtungen an und die ihnen zugeordneten Elemente, indem sie wieder aus dem Buch lasen. Immer wieder warfen sie ihm kurze Blicke zu, so als wollten sie fragen, ist das richtig? Machen wir das wirklich richtig? Er kontrollierte seinen Gesichtsausdruck, insgeheim aber rief er sich selbst an, indem er seine eigene Energie hineinschickte in die elementaren Sphären, um in Kontakt zu treten mit Erde, Feuer, Luft und Wasser. Es war lange her, seit er mit anderen im Kreis gestanden hatte. Es war anrührend zu sehen, wie diese Menschen sich bemühten, die Riten einzuhalten, ohne die Energie wirklich aufbauen und kanalisieren zu können.
    Einige Leute nahmen Trommeln und begannen einen einfachen Rhythmus zu schlagen. Sie sangen einen alten Gesang, den er kannte.

    Silbern schimmerndes Rad
    mit strahlendem Glanz, strahlendem Glanz,
    große Mutter, komm zu uns.

    Sie riefen die Mondgöttin an, mit ihrem Übermaß an Gefühlen, die Sonne, die Mutter, die Lebensspendende; und Bird warf seine Arme empor und dankte ihr. Er erinnerte sich an seine Gebete im Gefängnis und er fühlte wie Tränen sein Gesicht überströmten, während er IHR Licht scheinen sah. Sie hatten überlebt und sie waren frei.
    Jemand drückte ihm eine Trommel in die Hand, ein geschnitzter hölzerner Zylinder, mit Haut bespannt. Er hielt das Instrument ans Feuer, bis sich die Trommelhaut von der Wärme spannte, dann begann er zu spielen. Seine Hände waren steif und schmerzten, aber als er den Rhythmus gefunden hatte, wurde er unempfindlich gegen den Schmerz. Nur wenige der anderen Drummer waren mit dem Rhythmus des Gesangs im Einklang; die anderen waren eher vage, mal trafen sie den Rhythmus, mal nicht. Er begann einen starken mitreißenden Beat, um sie alle zu einer Einheit zu versammeln, um dann damit zu spielen und Synkopen und Gegen-Rhythmen hinzuzufügen. Die Gitarre war sein Instrument gewesen, nicht die Trommel, aber wie jedes Kind in der Stadt hatte er trommeln gelernt, noch bevor er überhaupt zählen konnte. Er hatte Addieren, Subtrahieren und Teilen gelernt durch das Verändern eines Rhythmus, lange bevor er je etwas von Zahlen gehört hatte. Jetzt erweckte er den Beat zum Leben, wenn ihn auch seine zerschmetterten Hände davon abhielten, schnelle Läufe und Wirbel zu versuchen und er bei den einfacheren Mustern bleiben mußte.
    Rhythmus war etwas Altes, so alt wie der Rhythmus des Mondes, anschwellend bis zur schimmernden Scheibe und wieder abnehmend bis zur Finsternis. Seine Hände machten ihm klar, daß er niemals wieder mit einer Gitarre oder einem Piano musizieren würde wie früher. Was er in seinem Herzen hörte, würde für immer dort verschlossen bleiben, weil seine Finger nie mehr die Kraft aufbringen würden, es hörbar zu machen. Er war zerbrochen, so wie die seltsame verwundete Gesellschaft, die ihn umgab mit ihrem zerbrochenen Rhythmus. Möglich, daß dies alles war, was übrig war, dieser Kreis Verstümmelter am Ende einer vergifteten Welt; vielleicht hatte er gar kein Zuhause mehr, keine Familie; vielleicht gab es auch gar keine Zauberer mehr, die genau zwischen Kraft und Form zu unterscheiden wußten. Möglich, daß zu Hause niemand mehr darauf wartete, ihn willkommen zu heißen, keine alten Weiber, die mit den Geistern reden konnten, niemand mehr, der bereit war, für das Überleben der Erde zu kämpfen, nicht einmal jemand, der das Andenken der Toten ehren

Weitere Kostenlose Bücher