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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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würde.
    Der Gesang spitzte sich zu und erstarb.
    »Die Göttin ist hier«, sagte Rhea. »Was sollen wir für den Gott singen?« »Ich weiß es«, sagte Bird. Er begann erneut die Trommel zu schlagen und stimmte dazu einen rufenden Gesang an. Die rauhen Stimmen um ihn herum nahmen das Gehörte auf, während er den Bock visualisierte, den er auf den Hügeln gesehen hatte, mit der Sonne zwischen seinen Beinen, der Sonne, die zu dieser Jahreszeit abnahm, so daß die langen Nächte kommen konnten. Die Sonne, die sich selbst verwundete und so dem Regen erlaubte zurückzukehren.

    Leben zu Leben gibt sich fort, so wie es mag,
    Tag zur Nacht und Nacht zum Tag.

    »Er ist hier«, sagte Rhea.
    Sie tanzten ums Feuer, opferten, sangen die alten Lieder der Heilung und der Wandlung. Bird holte heilende Kräfte vom Mond herunter und verspann sie in einen Kokon, aus dem eine Quelle hervorsprang, die sich über das ganze Land ergoß.
    Nachdem die Energie wieder geerdet war, saßen sie schweigend, sahen ins Feuer und lauschten auf seine Botschaft. Dann begannen Paare, sich aus dem Kreis fortzustehlen, indem sie das Feuer durchschritten. Bird lag auf der Erde neben den flackernden Flammen und ließ die Wärme seine wunden Muskeln entspannen. Er sog die Energie ein, um die Brüche in seinen Zellen zu heilen. Eine Hand legte
    sich auf seine Schulter. Als er sich umwandte, sah er in Rheas Augen.
    »Willst du den großen Ritus mit mir feiern?« fragte sie.
    Er fühlte wieder das Verlangen, die Anziehungskraft von Energie zu Energie, aber er zögerte, blickte in den Kreis und suchte Littlejohn. Er wollte ihn nicht verletzen. Doch Littlejohn schien verschwunden zu sein. Vielleicht hatte er auch jemanden gefunden.
    Rheas Augen waren auf ihn gerichtet, warteten. Ihre Hand auf seiner Schulter war warm, glühend. Das ist nicht sicher, dachte er, selbst wenn sein erschöpfter Körper noch die Kraft hatte, aufzustehen. Aber es fühlte sich richtig an. Die Kraft des Gottes brannte noch in ihm; in seinen Adern floß Feuer. Vor diesen Leuten, seinen Leuten, konnte er nichts zurückhalten. Rhea führte ihn aus dem Kreis heraus zu einem kleinen geschützten Platz unter den Zweigen einer großen, alten Eiche. Hier breitete sie eine Decke aus.
    Bird schaute in Rheas Augen. Sie waren alt und dunkel und leuchtend. Ihr Gesicht veränderte sich. Es erschien nicht mehr grotesk, sondern war genau richtig, Spiegel des geschädigten Landes, das ebenso wie dieses Gesicht überlebt hatte und die Möglichkeit für Wachstum und Veränderung barg.
    Ihr Körper fühlte sich unter seinen Händen weich an. Sie schmiegte sich an ihn. Er öffnete sich ihr ganz und gar. Er ergab sich der Kraft, die sie in sich barg. Und sie öffnete sich ihm und entdeckte ihm all den Schmerz und die Schönheit, die auf seine Schmerzen antworteten. Sie war gebrochen, ebenso wie er, ebenso wie dieses Land, aber dank seiner und der anderen, die dafür gelitten hatten und gestorben waren, nicht zerstört. Sie war das bittere Gebräu, das dennoch heilende Wirkung hatte, wie eine von Sandys Mixturen, die homöopathische Dosis Gift, die heilte. Er brachte ihr die Sonne, die sterbende, sinkende, verwundete Sonne, die sich selbst verzehrt, während sie Licht spendet – so wie er auch diesem Land seinen dem Leben standhaltenden Willen entgegengebracht hatte. Und so bekam er das bittersüße Geschenk dieses Landes zurück und verströmte sich.
    Am Morgen erwachte Bird vom Geräusch entfernter Wogen. Sein Bett war eine mit Wolldecken belegte Palette auf einem Holzfußboden. Sonne strömte durchs Fenster. Er drehte den Kopf und konnte den Ozean erspähen. Er gähnte und reckte sich. Er fühlte sich erstaunlich gut, vielleicht auch gar nicht erstaunlich. Denn er hatte allen Grund, sich gut zu fühlen. Sein Körper war gefüttert worden, in jeder Hinsicht, und er hatte allen Grund anzunehmen, daß er auch wieder gefüttert wurde. Und sie hatten es geschafft – sie waren wirklich und wahrhaftig entkommen. Es war der erste Morgen von vielen, an dem er erwachte ohne befürchten zu müssen, noch vor Sonnenuntergang tot zu sein.
    Die Tür öffnete sich, und Rhea trat herein mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen Tee dampften. Bird drehte sich um und lächelte ihr zu. Bei Tageslicht konnte er sie deutlicher sehen. Sie war kein Monster, nur eine Frau mit einem Wolfsrachen und einem zögernden Blick, so als erwartete sie, daß er sich bei ihrem Anblick abwenden müßte.
    »Guten Morgen«, sagte er, »ich

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