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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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Verbindung gedacht? Sie würde es mit Schwester Marie besprechen müssen.
    Generationen ihrer eigenen jüdischen Mütter waren im Raum, während sie kochte, kauerten vorsichtig auf Fensterrahmen und Lampen. Maya konnte sie hören, wie sie mit ihr schimpften. »Schau, wie mager das Mädchen ist. Kein Wunder, daß sie zusammenbrach.«
    - »Warum hast du sie nicht gefüttert?« - »Hast du ihr jemals gesagt, sie sollte langsamer machen, mal eine Pause einlegen?« »Aber sie würde nicht auf mich hören«, antwortete Maya ihnen. »Geht jetzt endlich, ihr altes Gelichter.«
    Aber in Wahrheit fühle ich mich verantwortlich, dachte sie. Ich lasse zu, daß sie sich um mich kümmert, dabei sollte ich sie umsorgen. Ich bin eine verwöhnte alte Frau, und sie ist zu gut für diese Welt. Wie kommt es, daß ein Kind aus Rios Sippe praktisch eine Heilige ist? Obwohl, wenn ich es recht bedenke, hat sie vielleicht nur seinen Hang zum Märtyertum geerbt.
    Ich bin nicht für sie verantwortlich; zum Teil sprach sie zu sich selbst und zum Teil zu den Geistern, die sie rund um den Tisch sitzen sah. Rio und Johanna, die sie mit Augen anschauten, die weder anklagten noch Absolution erteilten. Sie sah in ihnen nicht die alte Frau und den alten Mann, die sie inzwischen waren, sondern eher den Teil, der Anfang vierzig war, gereift aber noch kraftvoll: Johanna in jenem blauen Kleid, das sie immer zu tragen pflegte, wenn es galt, würdig zu erscheinen und eine Ansprache vor einem Gremium oder einem Komitee zu halten. Rio, in seinen Arbeitsklamotten mit Dreck an den Händen. Aber ich fühle mich verantwortlich, gab Maya zu. Irgendwie hatte sie versagt, hatte Johanna und Rio nicht entsprochen, sich selbst nicht entsprochen. Madrone war die letzte – wie war doch noch das Wort? – Nachfahrin. Oder traf das nur für Jungen zu? Die letzte Nachfahrin – abgesehen von Bird, mit dem kaum noch gerechnet werden konnte. Maya hätte sich besser um Madrone kümmern sollen.
    »Sei nicht närrisch, alte Frau«, sagte Johannas Geist zu ihr. Aber Maya unterbrach sie und beharrte auf ihrem Standpunkt. Denn falls sie selbst starb, wer bliebe dann noch? Falls Madrone nicht überleben konnte, wie konnte sie es von irgend jemandem sonst erwarten? Ganz abgesehen von den anderen City-Bewohnern, den Bewohnern dieser grünen Insel im giftigen Meer.
    Maya setzte Wasser auf. Sie würde Tee kochen, etwas für Madrone und etwas, um die Geister am Tisch zu versöhnen. Die Geister bevorzugten Kaffee, aber das war Pech. Kaffee gab es schon seit dem Aufstand vor 20 Jahren nicht mehr.
    »Ich spreche nicht von einem Mangel an Pflege«, sagte sie, als sie sich zu den Geistern der Toten an den Tisch setzte. »Es ist ein Mangel an Erbe. Wir hinterlassen eine Welt, die es auch den Besten von ihnen unmöglich macht, darin zu leben.«
    »War es bei uns anders?« fragte Rio.
    »Wir hatten unser Auskommen«, antwortete Maya, »wir saßen in komfortablen Wohnzimmern und sprachen über das Ende der Welt. Darüber wie die Delphine im südlichen Atlantik starben und die Zahlen derer anstiegen, die seit Geburt behindert waren, in der Nähe von verseuchten Mülldeponien. Oh, ich sage nicht, daß wir es nicht versucht haben. Wir gaben unser Bestes. Aber es war nicht genug.«
    »Kein Kind in dieser Stadt geht hungrig zu Bett«, sagte Johanna. »Keine lebende Seele hier ist ohne ein Heim. Das ist etwas, wofür wir gearbeitet haben.«
    »Und wir hatten auch andere Erfolge«, fügte Rio hinzu, »um nur einen zu nennen, niemand hat die Welt in einem Atomkrieg zerstört.«
    »Bis jetzt«, sagte Maya.
    »Es hängt vielleicht damit zusammen, daß sie immer noch einen Körper hat«, sagte Johanna zu Rio. »Dieser plötzliche Anflug von Zynismus. Hormone – weißt du. Verdauung. All der Blödsinn.«
    »Ich bin nicht zynisch«, protestierte Maya, »ich sehe die Schönheit dieser Stadt. Sie hat ein wunderbares pulsierendes Herz. Es schlägt für sich und für Freunde. In den Flüssen fließt klares Wasser, und die Bäume, die die Wege säumen, beugen sich unter der Last der Früchte, die jeder pflücken kann. Wir haben einen großen Teil dazu beigetragen, daß unsere City so aussieht. Aber welchen Sinn hat all das, wenn es keine Überlebenschance gibt?«
    »Das bedeutet, daß es existiert hat«, sagte Rio, »und darum ist es auch möglich. Unbestreitbar möglich.«
    »Aber das ist den Jungen nicht genug«, sagte Maya, »sie sind anders als wir. Für sie ist die Stadt keine kostbare Errungenschaft. Für

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