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Das Fünfte Geheimnis

Titel: Das Fünfte Geheimnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Starhawk
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und setzte die Teller ab, die er verteilen wollte, »das hättest du mir sagen sollen.«
    »Ich weiß«, sie schlang die Arme um seinen Hals, und er küßte sie. »Ich war ziemlich blöde, verzeih mir.«
    »Okay, okay. Mir tut es auch leid. Ich hätte ja merken müssen, daß du ihn vermißt und traurig bist.«
    »Ich war verletzt«, fuhr Madrone fort, »und dann habe ich dich verletzt. Aber ich möchte natürlich nicht, daß du Sandy sein sollst.«
    »Das hört sich gut an.«
    »Aber ich möchte dich besser kennenlernen. Du schließt mich aus von dir, Bird.«
    Bird blickte verwundert hoch, dann tat er einen tiefen Atemzug.
    »All right. Du hast recht.«
    »Ja?«
    »Ich werde es versuchen.«

    ✳✳✳

    Während des Essens sprachen sie über die letzten Gerüchte und erzählten, was in den entfernteren Teilen der City geschehen war. Sorgfältig vermieden sie es, über die böse Wirklichkeit zu sprechen. Als das Essen vorbei war, räumten sie gemeinsam die Küche auf. Dann verteilten sie sich auf die gemütlichen Sessel und Sofas im großen Wohnzimmer.
    Sage hatte frischen Kräutertee gekocht. Maya rückte ihren Sessel zur Lampe und nahm den Pullover hoch, den sie gerade strickte. Ihre Augen waren für feine Stickereien nicht mehr gut genug, aber ihr entging trotzdem keine noch so kleine Bewegung im Raum.
    Bird und Madrone saßen eng beieinander auf der Couch am Fenster. Madrone konnte gar nicht mehr aufhören, Bird zu streicheln, seine Arme, seine Schultern, seine Haare. Die Berührung beruhigte sie, ja Bird war hier, er war hier, und sie konnte ihn anfassen, er war lebendig, nicht tot.
    Bird empfand ihr Streicheln als angenehm. Es brachte ihm die Gegenwart mehr zum Bewußtsein, über der für ihn sonst ein Schleier lag. Ein Schleier, gewoben aus seiner Vergangenheit, dicht genug, um die Gegenwart zu verdüstern. Er fühlte sich durch diesen Schleier von den anderen getrennt, gefangen in seinen angstvollen Erinnerungen. Warum war es nur so schwer zu sprechen? Er war zurückgekommen, um seine Leute zu warnen, seine Leute hier im Norden. Und nun war er hier, aber es widerstrebte ihm, den Freunden von seinen Erfahrungen zu erzählen. Hatte er Angst, seine Worte könnten böse Wirklichkeit werden, nachdem er sie ausgesprochen hatte?
    »Erzähle mal, was du erlebt hast«, hörte Bird nun Holybear sagen, »que pasó.«
    Bird nahm gerade einen Schluck aus der dünnwandigen chinesischen Teetasse. Er drehte die Tasse zwischen seinen Fingern und spürte die fragile Härte des Porzellans zwischen seinen geschundenen Fingern. Wie leicht konnte doch so eine Tasse zerbrechen. Man mußte sie vorsichtig handhaben. Genauso vorsichtig wie seine Erfahrungen. Er durfte seinen Leuten nicht gleich alles erzählen, sie würden die grausame Kälte der Southlands nicht begreifen können. Ebensowenig wie jene Lebewesen im Süden die City-Bewohner würden begreifen können.
    »Was bedrückt dich?« hörte er Manzanita fragen.
    Schließlich gelang es Bird, das Wort herauszuwürgen: »Krieg.«
    Totenstille herrschte im Raum. Es war die Stille auf der Oberfläche eines ruhenden Sees, bevor ein Stein hineingeworfen wurde.
    »Krieg ist nichts Neues für uns«, sagte Madrone schließlich, »wir haben immer wieder Krieg geführt. Eigentlich schon mein ganze Leben lang.«
    Bird sah sie scharf an. Madrones Gesicht war ausdruckslos, doch irgendwo in ihrem Inneren brodelte es, das wußte er genau. Wenn sie diesen Druck aus sich herausließ, dann war mit ihr sicher nicht zu spaßen, genauso wenig wie sie sich dreinreden ließ, wenn es um Heilkunst ging.
    »Wie meinst du das?« fragte er.
    »Ich meine, seit dem Tag, an dem die Vier Weisen Frauen ihre Spitzhacken nahmen und die Straße aufhackten, leben wir in einem Belagerungszustand. Wir sind nicht frei. Wir sind auch nicht sicher. In den vergangenen zehn Jahren haben wir ein Drittel der City-Bewohner verloren. Jeder Dritte von uns ist jetzt tot. Wir kämpfen gegen Krankheiten und Epidemien, wie andere gegen Bomben und Gewehre.«
    »Glaubst du, daß die Epidemien eine Art Krieg gegen uns sind?« fragte Holybear, »biologische Kriegsführung?«
    »Das Heiler-Council neigt immer mehr zu dieser Ansicht. Auch das Verteidigungs-Council hat diesen Verdacht. Aber es könnte noch
    mehr dahinter stecken.«
    »Was soll das heißen?« fragte Sage.
    »Ich glaube, daß wir schon mitten im Krieg stecken. Daß wir schon ums Überleben kämpfen. Daß wir eigentlich schon langsam verlieren. Ich sage euch, dieser Gedanke

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