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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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ich. Aber vielleicht laden sich diese Klingeltöne von ganz allein in deine Seele, wenn du erst so einen Staatsboomer Vol.2 mit Chauffeur vor der Tür stehen hast ...
    Ich überlegte, wie ich mich beim Wiedersehen verhalten sollte.
    Eine Möglichkeit war, mir nicht anmerken zu lassen, dass ihr Biss mich verletzt hatte. Zu tun, als wäre nichts gewesen. Das ging nicht: Bestimmt würde ich rot werden, sie würde kichern, und der Abend wäre verdorben.
    Oder ich konnte die beleidigte Leberwurst spielen. Das heißt, ich brauchte sie nicht zu spielen, ich hätte sie nur nicht unterdrücken müssen. Aber das ging gleich gar nicht. Der Spruch des Vorarbeiters bei den Transportkulis im Supermarkt fiel mir ein: Wer beleidigt ist, auf den scheißen die
    Wölfe im Wald. Mit Heras Chauffeur mochte ich da nicht konkurrieren.
    Ich entschied einfach, mir diesbezüglich nicht vor der Zeit den Kopf zu zerbrechen, sondern so zu handeln, wie es mir gerade einkam.
    Das trunkene Jelzinschiff schien ein angesagter Laden zu sein - der Parkplatz war mit teuren Autos dicht gefüllt. Einen originelleren Eingang hatte ich auch noch nie gesehen: In die Ziegelfront war ein echter Panzer eingemauert, und die Besucher mussten auf den Turm, über dem die Eingangstür lag. Hinaufzukommen war übrigens nicht schwer, es gab eine Stahltreppe zu jeder Seite. Zahllose Fußabdrücke zeugten davon, dass Extremisten den Panzer auch von vorn bestiegen. An der Kanone hing ein Schild: Bitte nicht auf dem Lauf laufen! Die Geschäftsleitung.
    Die Eingangszone drinnen war wie ein Flugzeugsalon gestylt; ein Mädchen in Stewardessenuniform lächelte einem entgegen und fragte nach der Bordkartennummer (man wurde nur mit Voranmeldung eingelassen). Nach Vorstellung des Managements sollte sich der Gast offenbar vom Panzerturm direkt in den Bauch des Präsidentenjets gefallen fühlen.
    Mich erwartete ein als Steward verkleideter Kellner und gebot mir zu folgen. Der eigentliche Saal mit den Tischen wirkte konventionell, abgesehen von der großen Bühne (daran ein Schild: Dirioke ab 22.00 Uhr) und einem kleinen, runden, ziemlich tiefen Bassin, über das sich ein Brückenbogen spannte. (Dahinter gab es eine kleine Tür in der Wand mit der unerklärlichen Aufschrift NASS.) Der Durchgang zu den Separees befand sich am Ende des Saales.
    Während wir uns der betreffenden Tür näherten, begann meine Zuversicht heftig zu wanken.
    »Wo ist bitte die Toilette?«, fragte ich den Steward.
    Er deutete auf eine Tür.
    Nachdem ich in der blitzsauberen Räumlichkeit - genietete Pissoirs auf einem Flugzeugfahrgestell - mehrere Minuten zugebracht hatte, sah ich ein, dass eine weitere Betrachtung meines Gesichts im Spiegel keine neuen Erkenntnisse erwarten ließ. Ich kehrte zurück auf den Gang.
    »Vielen Dank. Ich finde allein weiter«, sagte ich zu dem Steward.
    Ich wartete, bis er verschwunden war, dann drückte ich die Klinke.
    Hera saß in einer Ecke - auf einem Stapel bunter Kissen in Form rundlich-weicher Doppel-T-Profile. (Aha, auch das Boris Jelzin: »Sollten die Preise mehr als auf das Drei-, Vierfache steigen, gehe ich und lege den Kopf auf die Gleise.« -Witzig!) Sie trug ein kleines, schwarzes, hochgeschlossenes Kleid, das auf den ersten Blick sehr schlicht und keusch wirkte, doch ein sexuell aufreizenderes Kleidungsstück war mir nie untergekommen.
    An der Wand stand ein Tisch mit zwei unberührten Gedecken. Vor Hera auf dem Fußboden ein Tablett mit Teegeschirr und einem angebissenen Cheesecake.
    Sie schaute auf und mich an. Im selben Moment war meine Irritation wie weggeblasen, und ich wusste, was zu tun war.
    »Grüß dich«, sagte sie. »Du guckst ja so finster und zu allem entschloss...«
    Sie kam nicht zu Ende mit ihrem Satz. In zwei Sprüngen war ich bei ihr, ging in die Hocke und ...
    Hier geschah etwas Unvorhergesehenes, das meine Uberfalltaktik um ein Haar vereitelt hätte. Als nämlich unsere Gesichter dicht voreinander waren, schloss sie plötzlich die Augen und öffnete die Lippen ein wenig, so als erwartete sie anstelle des Bisses etwas ganz anderes. Doch keine Macht der Welt hätte mich jetzt noch zurückhalten können. Als meine
    Kiefer zuckten und sie merkte, was geschehen war, machte sich Enttäuschung auf ihrem Gesicht breit.
    »Ach, Blödmann. Ihr hängt mir doch alle zum Hals raus ...«
    »Entschuldige«, antwortete ich, den Rückzug in eine Zimmerecke, hin zu einem der Gleiskissenberge antretend, »aber du hast ja auch ... ich meine, da musste ich

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