Das fuenfte Imperium
irrational: Nach landläufiger Männermeinung - siebzig Prozent der Befragten stimmen dem zu - gehört die Mehrzahl junger Frauen in beide Kategorien zugleich, auch wenn das der elementaren Logik zuwiderläuft...«
»Und welche Schlussfolgerungen wurden gezogen?«
»Dass man mit einem Mann absolut gnadenlos umspringen muss. Weil er nichts anderes verdient.«
»Hattet ihr auch eine Gummifrau?«
Hera schaute mich groß an.
»Eine was?«
»Äh, ich meine ... einen Gummimann«, verbesserte ich mich.
»Nein. Ihr hattet eine Gummifrau?!«
Ich murmelte etwas in meinen Bart.
»Was habt ihr mit der gemacht?«
Ich winkte ab.
»War sie wenigstens schön?«
Nun wurde es mir zu viel.
»Könnten wir das Thema wechseln?«
»Von mir aus«, sagte Hera achselzuckend. »Du hast damit angefangen.«
Längere Zeit fiel kein Wort.
»Wir führen eine merkwürdige Unterhaltung«, stellte Hera deprimiert fest. »Immerzu müssen wir das Thema wechseln, man weiß gar nicht mehr, worüber man reden soll.«
»Wir sind eben Vampire«, versuchte ich eine Erklärung. »Da lässt sich das wohl nicht vermeiden.«
In dem Augenblick kam der Fischtopf.
Das Ritual nahm einige Minuten in Anspruch. Die Kellner stellten eine verschnörkelte Suppenterrine auf den Tisch, tauschten das unberührte Besteck aus, verteilten Teller. Aus den dampfenden Tiefen der Terrine zogen sie eine grellbunte Porzellanfigur mit geröteten Wangen - für den Moment dachte ich, dies müsste Chodorkowski sein, doch die Brust zierte ein anderer Name: Hillary Clinton. Der Kellner hielt uns die Figur würdevoll unter die Nase (ungefähr so, wie man einem Kunden den Korken vom teuren Wein zu schnuppern gibt), bevor er sie mit ebenso gemessener Bewegung wieder in der Suppe versenkte. Hillary roch nach Fisch. All dies schien irgendeinen subtilen Sinn zu haben, der sich mir allerdings verschloss.
Die Kellner verließen das Separee wieder, wir blieben auf dem Fußboden sitzen.
»Willst du nichts essen?«, fragte Hera.
Ich schüttelte den Kopf.
»Warum nicht?«
»Ich muss an die Uhr denken.«
»Welche Uhr?«
»Patek Philippe. Das ist zu umständlich zu erklären. Außerdem: Was hat Hillary Clinton mit diesem Fischtopf zu tun? Scheint mir ein bisschen over the top.«
»Solchen Schnickschnack findest du in den teuren Häusern jetzt überall«, sagte Hera. »Das ist wie eine Epidemie. Im Aufstieg des Arschkriechers und genauso im IBAN Tsarevich. Oder warst du schon mal im Marie Antoinette am Twerskoi?«
»Nein.«
»Da steht eine Guillotine am Eingang. Marquis de Sade läuft zwischen den Tischen umher und bietet Desserts an. Im Echnaton , warst du da schon mal?«
»Auch nicht«, sagte ich und kam mir vor wie der dumme Iwan vom Dorf.
»Dort erzählen sie dir in vollem Ernst, sie hätten als Erste in Moskau den Monotheismus eingeführt. Und der Chef kleidet sich wie Osiris. Entkleidet sich, besser gesagt.«
»Osiris?«
»Jawohl. Der Zusammenhang ist rätselhaft. Zum Tag der Einheit am vierten November haben sie dort fünfmal hintereinander Iwan Sussanin auferstehen lassen, dazu haben sie Glinka gespielt, Ein Leben für den Zaren. Sie haben extra Zypressen angekarrt und Klageweiber.«
»Alle sind sie auf der Suche nach einer nationalen Idee«, beschied ich lapidar. Dabei war ich mit den Gedanken woanders. Der Name Osiris hatte mich aufhorchen lassen. Sollte das etwa ... ? Nein, ganz unmöglich. Ein Vampir würde niemals ein Restaurant führen.
Ich traute mich und fragte Hera, die doch immer alles wusste, nach einem Vampir namens Osiris. Fehlanzeige. Sie versprach, sich diskret zu erkundigen.
Ich stand auf und spazierte durchs Zimmer, als wollte ich mir die Beine vertreten. Eigentlich war das nicht nötig, ich suchte nur die Gelegenheit, Hera auf den Pelz zu rücken, und wollte, dass mein Manöver nicht auffiel.
Üblicherweise gelangen mir diese ach so ungezwungenen, zur akuten Verführungsphase überleitenden Positionsveränderungen nur sehr mittelmäßig, wodurch alles Nachfolgende halb so viel wert war. Ich führte mich in diesen Momenten auf wie ein sexuell befangener Idiot (der ich ja eigentlich auch war). Diesmal aber, da ich genau wusste, was in Hera vor sich ging, wollte ich dieses Geschenk des Himmels unbedingt auskosten.
Zum x-ten Mal am Fenster angekommen, trat ich den Rückweg zur Tür an, stoppte auf halber Strecke, schlug einen 9o°-Haken, machte zwei ungelenke Schritte auf Hera zu und setzte mich neben sie.
»Was hast du vor?«, fragte
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