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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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sie.
    »Das ist wie in dem Witz«, gab ich zur Antwort. »Sitzt ein Vampir auf einem Eisenbahngleis, kommt ein anderer Vampir und sagt: >Rück mal ein Stück.<«
    »Ah ja«, sagte Hera und errötete sanft. »Stimmt ja, wir sitzen auf Gleisen.«
    Sie zog noch ein Gleiskissen heran und packte es zwischen uns.
    Ich sah, dass mein Raumgewinnungsmanöver nicht gerade glänzend ausgefallen war. Ich musste also wieder ein Gespräch anknüpfen.
    »Du, was ich dich schon immer fragen wollte ...« begann ich.
    »Ja?«
    »Deine Zunge. Spürst du sie? Zum Beispiel jetzt gerade?«
    »Wie meinst du das?«
    »Na, bis vor einiger Zeit, so die ersten vier bis sechs Wochen, hab ich sie ständig gespürt. Nicht nur physisch, sondern auch ... mit dem Gehirn irgendwie. Oder ... mit der
    Seele, wenn du den Ausdruck gestattest. Das hat aufgehört. Das Gefühl ist völlig weg. Ich spüre sie überhaupt nicht mehr. Ich bin wieder so, wie ich früher war.«
    »Das scheint dir nur so«, sagte Hera. »Wir sind nicht wie früher. Unser Gedächtnis hat sich einfach nur mitverändert, deshalb kommt es uns so vor, als wäre alles wie immer.«
    »Wie funktioniert das?«
    »Jehova hat es doch erklärt. Wir erinnern uns nicht an das, was wirklich war. Das Gedächtnis ist ein Satz chemischer Verbindungen. Die können sich nach den Gesetzen der Chemie sonstwie verändern. Frisst du zu viel Säure in dich rein, versauert auch das Gedächtnis, und so weiter. Und die Zunge hat unsere innere Chemie ziemlich durcheinandergebracht.«
    »Klingt beängstigend«, sagte ich.
    »Kein Grund zur Sorge. Die Zunge tut uns nichts Böses. Sie ist überhaupt Minimalist. Das ist nur am Anfang so, wenn sie in ihre neue Höhle umgezogen ist, in der Anlaufund Eingewöhnungsphase, dass sie ein bisschen spinnt. Dann gewöhnen wir uns aneinander. Sie hat ja nichts auszustehen, schläft die ganze Zeit, wie ein Bär im Winter. Sie ist unsterblich, verstehst du? Wacht nur auf, wenn es Bablos zu schlecken gibt.«
    »Und während der Verkostungen?«
    »Die verpennt sie. Was uns so tagtäglich passiert, geht sie nichts an. Unser Leben ist für sie wie ein Traum. Kann Vorkommen, dass sie ihn gar nicht mitkriegt.«
    Ich dachte nach. Eine solche Sichtweise entsprach durchaus meinen Erfahrungen.
    »Hast du das Bablos schon probiert?«
    Hera schüttelte den Kopf.
    »Das kriegen wir beide zusammen.«
    »Wann?«
    »Keine Ahnung. Wenn ich recht verstanden habe, irgendwann Knall und Fall. Ischtar bestimmt es. Auch Enlil und Marduk wissen über das Wie und Wann nicht Bescheid. Oder nur sehr vage.«
    Jedes Mal, wenn ich von Hera etwas Neues erfuhr, versetzte mir die Eifersucht einen gelinden Stich.
    »Weißt du was«, platzte ich heraus, »ich beneide dich. Nicht bloß, dass du ein Auto mit Chauffeur hast. Du weißt immer alles einen Monat früher als ich. Wie macht man das?«
    »Kommunikationsfreudiger sein«, sagte Hera lächelnd. »Und weniger kopfunter im Schrank hängen.«
    »Soll das heißen, dass du Marduk und Mitra und Enlil immerzu anrufst?«
    »Nein. Sie rufen an.«
    »Und wieso?«, fragte ich argwöhnisch.
    »Ach, Rama. Wenn du dich ein bisschen dumm stellst, bist du einfach unwiderstehlich.«
    Diese Worte beflügelten mich so, dass ich ihr den Arm um die Schulter legte.
    O.k., natürliche und ungezwungene Bewegungen sehen anders aus. Aber immerhin schüttelte sie meine Hand nicht ab, das war doch was.
    »Und mir ist noch eins unklar«, sagte ich. »Mit der Ausbildung bin ich fertig. Glamour und Diskurs in Vollendung. Die Initiation ist auch vorüber, man ist jetzt ein vollwertiger Vampir. Und was nun? Kriege ich irgendeine Arbeit? Nach dem Motto: Meinen Kampfplatz für den Frieden?«
    »So ungefähr.«
    »Und was hab ich da zu tun?«
    Hera wandte mir ihr Gesicht zu.
    »Ist die Frage ernst gemeint?«
    »Natürlich. Man interessiert sich doch für seinen künftigen Lebensinhalt.«
    »Ist doch völlig klar, was du tun wirst. Bablos saugen natürlich. Genau genommen tut es die Zunge. Und du sorgst für die Rahmenbedingungen. Baust dir ein Haus in Enlils Nähe, da wo alle von uns wohnen. Und beaufsichtigst die Überführung.«
    Die steinernen Boote im Wasserfall neben Enlil Maratowitschs VIP-Bunker fielen mir ein.
    »Mehr nicht?«
    »Ja, was denn noch? Wolltest du für die Befreiung der Menschheit kämpfen oder wie?«
    »Nein«, sagte ich, »was das betrifft, hat Enlil Maratowitsch mich schon aufgeklärt. Aber ich dachte, es gäbe noch andere Tätigkeiten zu verrichten ...«
    »Wozu

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