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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Beziehungspflege.«
    »Warnstoß, neutralisierender Stoß, Vernichtungsstoß, Vergeltungsstoß und Triumphstoß - so heißen die«, zählte sie achselzuckend an den Fingern auf.
    »Und was bedeutet das im Einzelnen?«
    »Das sagen die Namen doch schon. Den Warnstoß kennst du. Der neutralisierende Stoß wird ausgeführt, um den Gegner zu lähmen, ohne ihn zu töten. Damit man sich in Ruhe entfernen kann. Die übrigen drei ... sind ernsterer Natur.«
    »Dann muss ich mich wohl bei dir bedanken, dass du mich nicht so ernst nimmst«, sagte ich. »Ich sollte jeden Morgen anrufen und Danke sagen. Wundere dich nur nicht, wenn dir die Stimme zu hoch vorkommt.«
    Tränen traten in Heras Augen.
    »Ich hatte dir doch gesagt, du sollst dich höchstens auf einen Meter nähern. Ich frage mich wirklich, wo ein Mädchen in dieser Stadt sich noch sicher fühlen kann.«
    »Ich hatte dich doch gebissen und gesehen, dass du nichts dagegen hast...«
    »Das? war vor dem Biss. Nach einem Biss verändert sich beim Mädchen das Hormongleichgewicht. Das hat physiologische Gründe, davon verstehst du sowieso nichts. Jedenfalls verliert man das Vertrauen in alles und jeden. Die Welt erscheint in vollkommen anderem Licht. Einem sehr düsteren. Zum Küssen hat man gleich gar keine Lust. Deshalb sagte ich dir doch: entweder beißen oder das andere. Dachtest du, ich mache Witze?«
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Irgendwie schon.«
    Tränen rannen ihre Wangen hinab - erst nur die linke, dann auch die rechte.
    »Genauso hat Loki es vorausgesagt«, sagte sie schluchzend. »Sie werden immer denken, du machst Witze, darum sollte man ihnen gleich in die Eier treten, und zwar mit Karacho ... Jetzt hast du Scheusal mich zum Heulen gebracht.«
    »Ich bin das Scheusal?«, fragte ich, quasi interessehalber, nach.
    »Mama hat immer gesagt: Wenn ein Junge dich zum Weinen bringt, dann verlass ihn ohne Reue. Ihr hatte die Mutter das Gleiche geraten, sie hat nicht drauf gehört und musste sich ihr Leben lang mit meinem Vater plagen ... Aber bei ihnen fing es wenigstens nicht gleich an. Du aber bringst mich schon beim ersten Rendezvous zum Heulen ...«
    »Ich kann dich nur beneiden um solche Ratgeber«, sagte ich. »Mit Karacho in die Eier, verlassen ohne Reue - großartig! Für mich hatte nie einer gute Ratschläge übrig. Ich musste immer selber draufkommen.«
    Beim zweiten Versuch gelang es mir, auf die Füße zu kommen.
    »Gut«, sagte ich. »Ich geh dann mal.«
    »Findest du allein nach Hause?«, fragte sie, ohne den Blick zu heben.
    »Ich geb mir Mühe.«
    Insgeheim hatte ich gehofft, dass sie mir ihren Wagen anbieten würde, doch sie blieb stumm.
    Der Gang zur Tür war lang und einprägsam. Ich bewegte mich mit Trippelschritten vorwärts und hatte unterwegs genug Zeit, dieses und jenes Einrichtungsdetail, das mir bis dahin entgangen war, eingehender zu betrachten. Das meiste war allerdings banal: mikroskopisch kleine Fresken mit sardinischen Ansichten und sowjetische Parteiausweise, mit Tapeziernägeln an die Wand gepinnt.
    An der Tür angelangt, wandte ich mich um. Hera saß immer noch so auf ihren Kissen: die Arme um die Knie geschlungen, das Gesicht dazwischen vergraben.
    »Du, hör mal«, sagte ich.
    »Ja?«, fragte sie leise zurück.
    »Wenn du das nächste Treffen anberaumst, dann ... erinnere mich daran, dass ich vorher ein Todesbonbon esse.«

OSIRIS
    Ich war eben mit dem Frühstück fertig, als es an der Tür klingelte - zeitgleich mit dem Piepton meiner Armbanduhr, es war gerade zehn. Ich erwartete keinen Besuch.
    Auf der Schwelle stand Heras Chauffeur in seinem Tarnanzug. Er sah sogar noch beleidigter aus als beim vorigen Mal und roch heftig nach Pfefferminzpastillen.
    »Ein Brief für Sie«, sagte er und hielt mir ein gelbes Kuvert ohne Marke und Adresse hin. In so einem hatte mir Hera einst ihr Photo geschickt. Sofort, vor den Augen des Chauffeurs, riss ich es auf. Ein von Hand beschriebener Briefbogen steckte darin.
    Grüß dich, Rama. der Verlauf unseres Treffens ist mir schrecklich unangenehm. Erst wollte ich dich anrufen und fragen, ob alles wieder gut ist, doch dann dachte ich, du könntest es in die falsche Kehle kriegen, womöglich als Hohn auffassen. Darum habe ich beschlossen, dir ein Geschenk zu machen. Mir schien, du hättest auch gerne so ein Auto, wie ich es habe. Ich habe mit Enlil Maratowitsch gesprochen. Er gab mir ein neues, und das hier ist jetzt deines, mitsamt dem Fahrer. Er heißt Iwan und ist auch als Leibwächter zu

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