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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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auf ihren Instinkt, wenn sie sich prügeln. Und denken nicht nach über die Gemeinheit ihres Tuns. Worin unterscheiden wir uns von ihnen?«
    Loki räusperte sich.
    »Steh auf!«, befahl er. »Dann erklär ich’s dir.«
    Ich stand auf.
    Besser gesagt, ich wollte aufstehen. Doch bevor ich die Beine ganz gestreckt hatte, bekam ich unversehens einen Fausthieb ins Sonnengeflecht.
    Der Schlag war nicht heftig, aber äußerst infam - Loki hatte den Moment abgepasst, da ich mich in der instabilsten Position befand. Ich verlor das Gleichgewicht und fiel mitsamt dem Stuhl nach hinten um, wobei ich mir schmerzhaft den Ellbogen prellte.
    »Kapiert?«, fragte Loki, als wäre nichts dabei.
    Ich sprang auf die Füße. Loki streckte beschwichtigend die Hände aus. »Belassen wir’s dabei. Friede!«
    Meine Wut erlosch. Trotzdem wollte ich Loki ein paar passende Worte sagen - da bekam ich von ihm einen schmerzhaften Tritt gegen den Knöchel. Das war der Gipfel der Niedertracht - nachdem er eben erst sein Friedensangebot unterbreitet hatte! Vor Schmerz ging ich in die Knie.
    Loki trat zum Fenster, zog ein Bonbon im roten Papier aus der Hosentasche, wickelte es aus und schob es sich in den Mund.
    »Und wenn ich Ihnen jetzt eine in die Fresse haue?«, fragte ich.
    »Wie kannst du es wagen, so mit mir zu reden?«, fragte Loki mit gefurchter Stirn zurück. »Ich bin dein Lehrer. Wenn mein Schüler Fragen hat, muss ich sie ihm beantworten. Und zwar so, dass er die Sache ein für alle Mal begreift. Klar?«
    »Klar«, sagte ich mürrisch und rieb mir den geprellten Knöchel. »Trotzdem, tun Sies nicht noch mal. Sonst kann ich für nichts garantieren.«
    »Versprochen«, sagte Loki und wandte sich ab. Mir schien, sein voriges Verhalten war ihm selbst etwas peinlich. Ich drehte mich zum Tisch, um wieder Platz zu nehmen. Währenddessen kam er von hinten gesprungen und trat mir gegen die Innenseite der Wade. Mein Bein knickte unwillkürlich ein, ich fiel schon wieder auf die Knie. Und bekam im selben Moment eine schallende Ohrfeige. Im Nu war ich wieder auf den Füßen und ging stumm mit den Fäusten auf Loki los.
    Es sei erwähnt, dass ich in der zehnten Klasse eine Zeit lang Karate betrieben hatte. Wodurch freilich noch lange kein Jackie Chan aus mir geworden war. Mit einem Tritt eine Fliese an der Wand der Schultoilette zu zertrümmern oder ein angeknicktes Brett mit einem Faustschlag durchzuhauen -dazu hatte es gerade so gereicht. Und immerhin wusste ich aufgrund meiner Vorkenntnisse das, was Jackie Chan auf der Leinwand vollführte, gebührend einzuschätzen.
    Umso beeindruckter war ich von dem, was ich nun zu sehen bekam.
    Loki entzog sich meinem Angriff, indem er gegen die Wand sprang, ein paar Schritte an ihr hinauflief (wobei nur die Beine sich bewegten) und, als die Schwerkraft seinen Körper in eine Parallele zum Fußboden gebracht hatte, einen Salto schlug, aus dem er weich hinter meinem Rücken landete. An alledem war gar nichts Überirdisches - alles blieb im
    Rahmen der Gesetze der Physik, nur dass es für ein solches Manöver ein Übermaß an Gewandtheit brauchte und an Mut wohl ebenso.
    In der nächsten Sekunde ließ er sein gestrecktes Bein knapp an meinem Gesicht vorbeipfeifen, so dass ich zurückprallte, packte mich am Handgelenk und knickte es um - mit einem so sicheren Griff, dass ich jeden Gedanken an Widerstand sogleich aufgab.
    »Ich ergebe mich!«, schrie ich.
    Loki ließ meinen Arm los. Vor Staunen vergaß ich alle Kränkungen.
    »Wie ... wie machen Sie das?«
    »Setz dich hin und schreib!«
    Ich setzte mich zurück an den Tisch.
    »Um einen Vampir in jeglicher Kampfsituation unschlagbar zu machen, haben die Vampire das Todesbonbon geschaffen ... Hast du?«
    »Ach! Was Sie vorhin gegessen haben? Das rot eingewickelte?«
    »Genau«, sagte Loki.
    Er fuhr mit der Hand unter seinen Gehrock und zog noch ein Bonbon hervor: klein, rund, in rotem Glanzpapier. Ähnlich wie die Lutschbonbons, die in Flugzeugen verteilt werden.
    »Darf ich probieren?«
    Loki dachte kurz nach.
    »Heute nicht«, entschied er. »Du bist mir zu ... aufgekratzt. «
    »Fürchten Sie, dass ich Sie ... naja, verprügele?«
    Loki lachte verächtlich.
    »Du grüner Junge ... Glaubst du, das macht das Bonbon?«
    »Nicht? Was sonst?«
    »Das Bonbon nützt wenig ohne den Geist des Kriegers. Weißt du überhaupt, was das ist?«
    Richtig wusste ich es nicht.
    »Dann schreib.«
    Ich beugte mich über mein Heft.
    »In der chinesischen Provinz Hubei«, begann

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