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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Loki zu diktieren, »befindet sich das malerisch gelegene Wudang-Gebirge. Wudang bedeutet Schild des Kriegers. Seit Urzeiten leben dort daoistische Mönche und betreiben Kampfkunst ... Der berühmteste von ihnen ist Zhang San Feng, welcher fliegen konnte ...«
    Loki machte eine Pause, wohl weil er meine Rückfrage gewärtigte, ob dieser Zhan San Feng tatsächlich geflogen sei. Ich tat ihm den Gefallen nicht.
    »In den Wudang-Bergen existieren heute zahlreiche Wushu-Akademien, wo arglosen Touristen schön anzusehende, aber nutzlose Tänze mit Schwert und Stab beigebracht werden ...«
    Loki imitierte diese. Tänze mit ein paar ins Lächerliche übertriebenen Bewegungen. Es sah wirklich lustig aus.
    »Die Dao-Mönche, die die wahre Kampfkunst betreiben, zogen sich noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Berge zurück, weitab von Straßen, Hotels und, ha-ha, Massagestudios. Es gibt nur noch wenige wahre Meister, doch es gibt sie. Um ihr Leben fern der Menschen fristen zu können, benötigen die Mönche Existenzhilfe in beträchtlicher Höhe ... Hast du? Die Vampire stellen ihnen diese Mittel bereit. Dafür spenden ihnen die besten daoistischen Meister einmal jährlich Kostproben ihrer roten Flüssigkeit. Aus diesen Präparaten fertigen die Vampire einige Sorten Todeskonfekt. Doch ohne den Geist des Kriegers bleiben diese Bonbons wirkungslos ... Hast du? Das wars für heute.«
    Die ganze folgende Nacht wälzte ich mich in meinem Baldachinbett und überlegte, was das für ein Geist sein konnte.
    Meine Mutmaßungen gingen in verschiedene Richtungen. Erstens hielt ich es für möglich, dass es tatsächlich irgendeinen Geist gab, mit dem man in Kontakt treten musste. Zweitens konnte es sich um einen heroischen Bewusstseinszustand handeln, den man sich über einen langen Zeitraum anzuerziehen hatte, ohne auf irgendwelche vampirischen Hilfsmittel zurückgreifen zu können. (Diese Variante erschien mir am wenigsten verlockend.) Und drittens mochte dieser »Geist des Kriegers« mit einer speziellen Prozedur Zusammenhängen, die die Physis veränderte - es wäre ansonsten kaum zu erklären gewesen, dass der alte und offensichtlich unsportliche Loki die Beine werfen konnte wie ein mit Amphetaminen abgefüllter Akrobat.
    Alle drei Hypothesen trafen nicht zu.
    Der Geist des Kriegers war eine bestimmte Abfolge von Atemzügen - kurzen und langen. Es war eine Art Code, der das Bonbon zur Wirkung brachte. Das hatte mit daoistischen Exerzitien zu tun: Das Atemzentrum wurde auf diese Weise reguliert. Wie es genau ablief, wurde von Loki nicht weiter vertieft - wohl weil er sich darin selbst nicht erschöpfend auskannte. Sich die Abfolge zu merken genügte.
    Kurz darauf gestattete Loki mir, von einem Todesbonbon abzubeißen. Zu sehen gäbe es nichts Besonderes, warnte er vorab; das Bonbon enthalte keine Informationen über das Leben der Mönche, nur ihre kriegerischen Fähigkeiten würden zugänglich gemacht. Ich schritt zum Selbstversuch.
    Der Geschmack erinnerte an eine Lakritzstange. Ich hielt die geforderte Atemfolge ein und empfand einen leichten Schwindel, dann Leichtigkeit. Aber das war es auch schon. Mich in meinen neuen Zustand vertiefend, konnte ich nichts Ungewöhnliches bemerken - wie das schon bei Pasternak+1/2Nabokov der Fall gewesen war. Alle Hinweise auf die Spender waren getilgt.
    Erworben hatte ich das Vermögen zur virtuosen Körperbeherrschung. Das war allerdings beeindruckend. Als Erstes versuchte ich mich an einem Spagat, was bei meinen Karateübungen als Schüler nie geklappt hatte. Zu meiner Verblüffung gelang es mir nun ohne Weiteres - zuerst quer, dann auch längs.
    Anschließend ahmte ich mühelos nach, was Loki vorgemacht hatte: lief die Wand hinauf, schlug einen Salto und landete auf den Füßen. Loki befahl mir, ich solle ihn nun angreifen, und im nächsten Augenblick ließ ich eine Schlagfolge auf ihn niederprasseln, wie ich sie selbst bis dahin nur aus dem Kino kannte (wobei freilich kein einziger dieser Schläge sein Ziel fand).
    Als die Wirkung des Bonbons sich verlor, war ich nicht imstande, die Kunststücke zu wiederholen.
    Nicht in der Elastizität der Muskeln liege das Geheimnis dieser Biegsamkeit und Beweglichkeit, erläuterte Loki, sondern in ihrer Fähigkeit zu schlagartiger Entspannung. Sie vor allem sei die Voraussetzung, um in den Spagat fallen und hohe Beinkicks landen zu können.
    »Physiologisch gesehen sind Nervenimpulse vom Hirn an die Muskelzellen dafür verantwortlich. Auch langes

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