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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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einzig mögliche Kandidat in einen indifferenten Schlitz gesteckt - und hinterher möchte man sich einreden, das wäre es, weshalb die ganze freie Welt in Verzückung gerät ... Zugleich war mir natürlich klar: Wenn der Versuch glückt (ich rede jetzt nicht von den Wahlen), dann geschieht etwas ganz anderes. Der Moment tritt ein, wo zwei Wesen miteinander einen Stromkreis schließen, zu einem Körper mit zwei Köpfen werden. (Das heraldische Muster hierfür wäre jenes altbyzantinische Wappen, das einen kleinen asiatischen Hahn zum Zeitpunkt der Zwangsvereinigung mit einem von hinten herangeschlichenen Staatsadler zeigt.)
    Das Glück war uns hold, der Moment trat ein (ich rede jetzt nicht von dem Wappen). Doch in derselben Sekunde fiel ihr plötzlich der Schleier von den Augen, und sie wusste über mich Bescheid. Ich weiß nicht, was genau sie empfand - sie durchschaute mich jedenfalls, es bestand kein Zweifel.
    »Du ... du ...«
    Sie stieß mich zurück, setzte sich auf die Bettkante. In ihren Augen stand das blanke Entsetzen, so dass auch mir angst und bange davon wurde.
    »Wer bist du?«, fragte sie. »Was ist das?«
    Sich herauswinden zu wollen war zwecklos. Die Wahrheit sagen konnte ich ebensowenig. (Geglaubt hätte sie sie ohnehin nicht.) Passende Lügen fielen mir nicht ein. Ein drittes Mal zubeißen und sehen, wie sich die Sache einrenken ließ, wollte ich nicht. Also stand ich auf, zog wortlos mein schwarzes Simpson-Shirt an.
    Keine Minute später war ich auf der Treppe. Jaulend wie ein abgeschossener Jagdbomber. Na gut, der Absturz erfolgte relativ geräuscharm - ich mochte nicht unnötig Aufmerksamkeit erregen.
    Reue empfand ich keine, nur Betretenheit, wie sie einen in solch blöder Lage überkommt. Dass ich das Mädchen zweimal in den Hals gebissen hatte, legte ich mir nicht zur Last. Man kann einer Mücke nicht vorwerfen, eine Mücke zu sein, dachte ich mir. Ich war bestimmt kein Monster - jedenfalls bis jetzt nicht. Den Gedanken, dass eine Frau eines in mir sehen konnte, fand ich allerdings beängstigend.
    Am nächsten Abend rief Mitra an.
    »Und?«, fragte er.
    Ich berichtete ihm von meinem ersten Biss und dem anschließenden Abenteuer. Nur wie es geendet hatte, verschwieg ich.
    »Prima!«, sagte Mitra. »Gratuliere. Jetzt bist du schon fast einer von uns.«
    »Wieso fast? War das etwa noch nicht der Große Sündenfall?«
    Mitra lachte.
    »Wie kommst du darauf? Du hast dir ein bisschen die
    Hörner abgestoßen, mehr nicht. Was soll das für ein Sündenfall sein? Da muss erst noch etwas ganz anderes passieren ...«
    »Wann?«
    »Warts ab.«
    »Wie lange denn noch!«
    »Du solltest den Ereignissen nicht vorgreifen. Genieß noch ein Weilchen das Menschsein.«
    Die letzten Worte holten mich auf den Boden zurück.
    »Aber sag mal ehrlich«, fuhr Mitra fort, »mit diesem Mädchen, äh, ich meine ... Gabs vielleicht irgendwelche Zwischenfälle?«
    »Ja«, gab ich zu. »Ganz am Ende. Sie hat gemerkt, dass mit mir was nicht stimmt. War ganz erschrocken. Als hätte sie dem Teufel ins Auge gesehen.«
    Mitra seufzte.
    »Dann weißt du also jetzt Bescheid. Ist sicher gut, dass es so gekommen ist. Du bist anders als die Menschen, dessen musst du dir bewusst sein. Zwischen dir und einem Menschen kann es keine wirkliche Nähe geben. Vergiss das nie! Und mach dir bloß keine Illusionen.«
    »Wie kann ein Mensch überhaupt mitkriegen, was ich für einer bin?«
    »Gar nicht. Unter keinen Umständen«, antwortete Mitra. »Mit Ausnahme der einen Situation, in die du geraten bist.«
    »Und das passiert jetzt jedes Mal, wenn ich ...«
    »Nein. Sich zu tarnen ist relativ einfach. Loki bringt es dir bei.«
    »Wer ist Loki?«
    »Dein nächster Lehrer. Aber du musst wissen, dass dieses Thema bei den Vampiren tabu ist. Darüber spricht man nicht einmal mit seinem Ausbilder. Die Notwendigkeit der Tarnung beim Sex wird dir auf andere Weise vermittelt.«
    »Was für ein nächster Lehrer denn? Kommt etwa noch mehr Unterricht? Ich dachte, ich werde endlich ins Highlife entlassen.«
    »Lokis Lehrgang ist der letzte«, sagte Mitra. »Ich schwörs bei meiner roten Flüssigkeit. Und was das Highlife betrifft... Schau im Briefkasten nach. Da liegt was für dich.«
    Nachdem Mitra aufgelegt hatte, eilte ich zum Briefkasten. Tatsächlich: Es lag ein gelber Umschlag darin, ohne Marke, nicht adressiert. Ich überlegte, woher Mitra von dem Brief wissen konnte, und kam zu dem Schluss, dass er ihn selbst eingeworfen haben musste.
    Ich kehrte in

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