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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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Training vermag die physische Beschaffenheit von Muskeln, Knochen und Bändern nur unmaßgeblich zu ändern. Was sich ändert, ist die Impulsfolge der die Mechanik ansteuernden Nervensignale. Auf diesen Code zielt das Todesbonbon. Jeder durchschnittliche Mensch wird einem trainierten Kämpfer an Kraft unterlegen sein. Doch seine Physis reicht aus, um dasselbe zu leisten. Es ist nur der Nervenapparat, der nicht mitspielt. Dies betrifft ebenso die Schlagkraft. Sie hängt nicht nur vom Zustand der Muskelfasern ab, sondern von der Fähigkeit, die vitale Energie zu konzentrieren. Das Präparat verschafft dem Vampir einen zeitweisen Zugang zu diesen Fertigkeiten. Das Verfahren hat freilich seine Grenzen. Zweihundert Kilo Gewicht stemmen wirst du niemals können, selbst wenn du einem Gewichtheber-Weltmeister die ganze rote Flüssigkeit absaugst.«
    »Das heißt«, sagte ich, »wenn ein Turner fleißig trainiert, arbeitet er mehr an seiner Software als an der Hardware?«
    »Diesen Drogenslang verstehe ich nicht«, antwortete Loki.
    Jetzt war auch klar, warum ein Vampir die fiesesten aller Tricks anzuwenden gezwungen war. Hier ging es nicht um ethische Entscheidungen, sondern um die nackte Notwendigkeit. Das Todesbonbon verlieh eine enorme Selbstsicherheit; man bekam Lust, mit dem Gegner zu spielen wie mit einem Kätzchen. Doch sobald die Wirkung des Bonbons nachließ, wurde der Vampir angreifbar. Er durfte also Todeszeit, wie Loki es nannte, auf gar keinen Fall sinnlos vergeuden.
    Ein Vampir war angehalten, stets ein Todesbonbon bei sich zu tragen. Loki gab mir ein kleines Etui und führte vor, wie man das Bonbon herausbekam: Man drückte eine Feder, und es sprang einem direkt in den Mund. Damit es schneller ging, ließ sich auf das Auswickeln verzichten: Das Papier war geeignet, mitverschluckt zu werden. Man trug das Ausrüstungsbonbon am Gürtel und wandte es nur an, wenn Gefahr für Leib und Leben drohte.
    »Sagen Sie, kommt es eigentlich vor, dass Vampire gegeneinander kämpfen? Ich meine, zwei Vampire haben jeder ein Bonbon gegessen und prügeln sich?«
    »Was heißt prügeln«, sagte Loki. »Vampire sind keine Kinder. Wenn zwei Vampire ein ernsthaftes Problem miteinander haben, lösen sie es mit Hilfe eines Duells.«
    »Ach? So etwas gibt es noch?«
    »In unserer Welt ja. Wenn auch nicht häufig.«
    »Und wie sieht so ein Duell aus?«
    »Das erzähle ich ein andermal.«
    Zur nächsten Stunde erschien er mit einer langen schwarzen Rolle - wie die, in denen man technische Zeichnungen transportiert.
    »Zu dem«, sagte Loki, »was du über Duelle wissen solltest ... Des Öfteren in der langen Geschichte der Existenz von Vampiren gab es zwischen ihnen Auseinandersetzungen persönlicher Art. Vampire rekrutierten sich zumeist aus den höheren Gesellschaftsschichten, wo man strittige Fragen durch Duelle zu lösen gewohnt war. Diese Gewohnheit wurde in die Welt der Vampire hineingetragen. Nach den ersten Todesfällen erging jedoch ein Verbot. Das Problem ist, dass ein Vampir bei so einem Duell nicht nur sein eigenes Leben, sondern auch das der Zunge riskiert. Und für eine Zunge besteht, wie du dir vielleicht denken kannst, nicht der geringste Grund, sich auf ein Duell einzulassen. Das wäre dasselbe, als wenn ein Pferd anfinge auszuschlagen, und der auf ihm sitzende Reiter ...«
    »Ich verstehe schon«, fiel ich ihm ins Wort, »Sie müssen das Beispiel nicht ausführen.«
    »Andererseits wäre es sträflich, die Humanbedürfnisse eines Vampirs zu ignorieren oder ihn zu einem bloßen Transportmittel herabzuwürdigen. Und sei es nur deshalb, weil ein depressiver psychischer Hintergrund der menschlichen Persönlichkeit sich negativ auf das Befinden der Zunge auswirkt. Deshalb wurde ein Kompromiss entwickelt, der es den Vampiren erlaubt, ihre Beziehungen zu klären, ohne das Leben der Zunge zu gefährden - und das des Vampirs.«
    »Aber dann verkommt das Duell doch zur Farce.«
    »O nein!«, widersprach Loki mit einem Lächeln. »Worin besteht denn deiner Meinung nach der Sinn eines Duells?«
    Ich zuckte mit den Schultern. Es schien mir zu offensichtlich, um es erklären zu müssen.
    »Menschen werfen sich böse Worte an den Kopf«, sagte Loki, »doch diese Worte haben kein Gewicht. Der Mensch nimmt viele davon in den Mund, wenn der Tag lang ist. Ein Duell hat seinen Sinn darin, den Worten ein zusätzliches Gewicht zu verleihen: das Gewicht der Kugel, der Klinge, des Gifts. Von daher haben die Vampire eine einfache Lösung

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