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Das fuenfte Imperium

Titel: Das fuenfte Imperium Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viktor Pelewin
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gefunden: Sie unterteilen das Duell in zwei Hälften. Zuerst wird ausgehandelt, welcherart Gewicht den Worten beizumessen sei. Und dann wird geklärt, wem es auferlegt wird. Verstehst du?«
    »Bis jetzt noch wenig.«
    »Zuerst schreibt jeder Teilnehmer eine sogenannte Duellorder, wo er ausführlich darlegt, welche Strafe er für seinen Gegner ausersehen hat. Das kann alles Mögliche sein: Amputation von Gliedmaßen, Beraubung des Seh- oder Hörsinns, Auspeitschung - je nachdem, wie groß die Wut der Duellanten ist. Die Sekundanten haben sich zu vergewissern, dass die Maßnahme der physischen Existenz der Zunge keinen Abbruch tut, dann bestätigen sie die beiden Orders. Und das eigentliche Duell kann beginnen.«
    »Die Duellanten wissen, was sie im Falle ihrer Niederlage erwartet?«, fragte ich.
    »Nein«, erwiderte Loki. »Das ist gegen die Regeln. Und jedes Mal, wenn diese Regeln missachtet werden, sind die Folgen äußerst bedauerlich. Wie zum Beispiel beim letzten Mal.«
    »Was geschah da?«
    »Dem Unterlegenen wurden Nase und Ohren abgeschnitten. Sein restliches Leben trug er eine Maske. Es währte allerdings nicht lange ...«
    »Warten Sie«, sagte ich, von jäher Unruhe erfasst, »wer war dieser Mann? Wie hieß er? Doch nicht etwa ...?«
    »Ja. Es war Brahma. Zwar erfolgte die Amputation durch den besten plastischen Chirurgen der Stadt, er hat keinerlei Schmerzen erleiden müssen. Doch fiel er anschließend in eine tiefe Depression, und die Zunge mochte nicht länger in seinem Körper verweilen.«
    »Mit wem hat Brahma sich duelliert?«
    »Das dürfte ich dir eigentlich nicht sagen«, zögerte Loki. »Aber wenn du es unbedingt wissen willst... Mit Mitra.«
    »Mitra?!«
    »Jawohl. Darum hat Mitra dich in unserer Welt in Empfang genommen. Das ist Sitte, wenn einer das Duell nicht überlebt. Der Sieger wird zum Betreuer des Novizen, auf dessen Leib die Zunge übergeht. Aber sprich dieses Thema bitte keinesfalls in Mitras Gegenwart an - ein solches Verhalten gilt als ausgesprochen taktlos. Hast du mich verstanden?«
    Ich nickte. Die Neuigkeit überraschte mich doch einigermaßen.
    »Das heißt«, sagte ich, »ohne Mitra wäre ich nicht hier ...«
    »Nein«, sagte Loki, »so solltest du nicht denken. Mitra hatte auf die Wahl keinen Einfluss. Übrigens spielte auch Brahma dabei keine große Rolle. Die Zunge entscheidet selbst.«
    »Und weswegen kam es zum Duell?«, fragte ich.
    »Es hing irgendwie mit Brahmas Archiv zusammen«, antwortete Loki. »Brahma war ein passionierter Sammler. Mitra lieh sich einen Teil der Sammlung aus, irgendwelche Boudoir-Raritäten, Genaues weiß ich nicht. Er tat das nur zu seinem Vergnügen, machte Brahma aber weis, es wäre in dringender Angelegenheit. Und dann gab es irgendwelche Probleme damit. Entweder hat Mitra alles allein ausgesoffen oder verschludert oder an irgendwen weitergegeben - das weiß ich nicht im Detail. Jedenfalls kamen die Präparate abhanden. Brahma wurde furchtbar zornig und forderte Mitra zum Duell. Zuvor verkündete er, dass er Mitra die Finger abschneiden würde. Mitra, als er das hörte, wollte ihm nichts schuldig bleiben ... Den Rest kennst du.«
    »Klingt, als wäre Mitra ein erfahrener Duellant?«
    »Erfahrung bedeutet hierbei recht wenig«, sagte Loki. »Das Schicksal entscheidet.«
    »Und wie verläuft das Duell an sich? Mit Todesbonbon?«
    »Ja, in einer speziellen Duellausgabe. Gewonnen aus der roten Flüssigkeit der weitbesten Fechter und Schützen.«
    »Mit welcher Waffe?«
    »Florett oder Pistole«, sagte Loki. »Für beides verwenden Vampire Spezialausführungen.«
    Er nahm die Rolle vom Tisch, öffnete sie und zog ein Florett hervor.
    »Da schau her.«
    Am Ende des Stahlstabs saß eine kleine kupferfarbene Kugel von ein, zwei Zentimetern Durchmesser. Eine kurze Nadel schaute aus ihr hervor.
    »Das ist ein Tranquilizer«, sagte Loki. »Bei einem Schusswaffenduell feuert die Pistole ein Projektil mit derselben Substanz ab. Beim Getroffenen tritt augenblicklich eine Lähmung ein. Er bleibt bei Bewusstsein, kann atmen, doch weder sprechen noch sich bewegen. Die Wirkung des Tranquilizers hält circa vierzig Minuten an. In dieser Zeit müssen die Sekundanten die Duellorder in allen Punkten ausführen. Das ist für sie mitunter eine außerordentliche Bürde, wie zum Beispiel im Fall von Mitra und Brahma. Aber die Sache wird stets zu Ende gebracht - selbst wenn der menschliche Aspekt dabei zu Tode kommen sollte ...«
    Nach allem, was ich eben erfahren hatte,

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