Das fuenfte Imperium
empfindet, denn der Vampir soll glauben, er mache sie glücklich - und sie deswegen noch glücklicher machen wollen. Ist das so schwer zu verstehen? Es geht um Investitionen. Je lauter die Frau schnauft und stöhnt, desto mehr Geld wird sie sich aneignen wollen. Und das muss man im Keim unterbinden.«
Mir fiel ein, dass Mitra mich vor einem Schleier der Scheinheiligkeit als festem Bestandteil der Sex-Maske eines Vampirs gewarnt hatte. Dennoch, aus purem Mutwillen, wollte ich noch ein bisschen protestieren.
»Meiner Meinung nach ...«
Doch Loki schien meine Rechthaberei bereits satt zu haben.
»In Fällen besonderer Borniertheit«, fiel er mir, lauter werdend, ins Wort, »kann man es noch deutlicher sagen. Lass niemals zu, dass die Frau einen Orgasmus vortäuscht, denn es ist der Griff nach deiner Brieftasche! Jetzt klar?«
Erschrocken nickte ich nur noch.
»Gelingt es aber, dieser Täuschung von Anfang an zu entgehen«, fuhr Loki fort, »dann ist Menschlichkeit in der Beziehung zur Frau möglich. Und nichts anderes ist unser Ziel, denn Vampire sind humane Wesen ... Hast du’s?«
»Ja. Aber warum muss der Vampir die Frau für den Sex bezahlen?«
»Weil Sex ohne Geld nur in der Mausefalle vorkommt«, erwiderte Loki. »Auch das solltest du in dein Heft schreiben.«
Ich tat es und setzte einen fetten Punkt dahinter.
»Gut«, sagte Loki. »Dann gehen wir jetzt zum praktischen Teil über.«
Er klappte sein Köfferchen auf und zog ein fleischfarbenes Päckchen hervor, dazu eine hellblaue Gaspatrone, an der ein kurzer Gummischlauch hing. Er ließ den Schlauch am Gummipäckchen einrasten und drehte einen schwarzen Hebel. Ein scharfes Zischen war zu hören, Sekunden später hatte sich das Päckchen entfaltet und schwoll zu einer abgegriffenen Gummipuppe mit strohgelben Zottelhaaren.
Sie hatte weit aufgerissene, dicht bewimperte blaue Augen und einen zu allem bereiten Purpurmund mit rundem Loch in der Mitte. Loki hatte sie etwas zu prall aufgeblasen, sie erschien fett. Unübersehbar hatten sich schon mehrere Vampirgenerationen an ihr geübt: Verkrustete Rinnsale zeugten davon und dunkle Flecken, die aussahen wie Schuhabdrücke. Außerdem gab es Tintenschmierereien, wie man sie von Schulbänken kennt. Besonders auffällig ein Zweizeiler, in großen Buchstaben auf einem Oberschenkel drapiert, den auszuradieren, den Kratzspuren auf dem Gummi nach zu urteilen, schon öfter versucht worden war:
Sie liebte mich, weil ich Gefahr bestand. Ich liebte sie von hinten. Penetrant!
Loki bemerkte, dass ich mich für das Oberschenkelgedicht interessierte, und drehte die Frau so, dass die Inschrift nicht mehr zu sehen war.
»Kommen wir also zu den praktischen Methoden«, verkündete er.
»Aha, äh, ja ... Wie soll ich das verstehen?«
»Ganz praktisch.«
Er ging vor der Gummipuppe auf die Knie. In der Hand hatte er ein Todesbonbon, das er auswickelte und sich einwarf.
»Vor besagtem Problem stehend«, sprach er, sich nach mir umwendend, »mussten die Vampire das Fahrrad nicht neu erfinden. Sie griffen auf ihre bewährten Nahkampftechniken zurück. Das ist übrigens auch der Grund, weshalb wir Kampf- und Liebeskunst in einer Lerneinheit anbieten. Der den Vampiren eigentümliche Humanismus äußert sich darin, dass zur Verhinderung eines vorgetäuschten Orgasmus ausschließlich Methoden Anwendung finden, die die Gesundheit der Partnerin nicht beeinträchtigen ...«
Loki beugte sich über die Gummifrau, stützte die Ellbogen auf den Boden. Der Zustrom roter Flüssigkeit verfärbte sein Gesicht. (Entflammende Leidenschaft hätte den gleichen Effekt, fiel mir ein.)
Plötzlich richtete er behände den Oberkörper auf und stieß dabei der Puppe das rechte Knie in die Seite. Anschließend dasselbe mit dem anderen Knie. Dann stemmte er ihr den Ellbogen in die Bauchmitte, schnipste einen Finger gegen den Halsansatz, klatschte die flachen Hände auf ihre Ohren ...
Es war grotesk und grauenhaft anzusehen, wie dieser große, dünne Mann in Schwarz auf einer Gummipuppe lag und sie mit Händen und Füßen malträtierte. Loki schlug zwar nicht hart, doch in schneller Folge, die Bewegungen wirkten ausgesprochen professionell, geradezu artistisch - er hätte mit dieser Nummer gut in einem surrealistischen Theater auftreten können. Und mir schien, als platzierte er seine Schläge mit mehr Begeisterung, als für den Ausbildungsprozess nötig gewesen wäre.
»Waren Sie eigentlich schon mal verliebt?«, fragte ich ihn, für mich selbst
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