Das fuenfte Imperium
enthusiastisch.
Dann erfuhr ich, dass der Lehrplan zu diesem Thema nur eine einzige Stunde vorsah, und hängte die Latte meiner Erwartungen tiefer. Sei’s drum, dachte ich mir, dann wird diese Stunde wohl umso drastischer und eindrücklicher ausfallen ...
Und dem war so.
Loki erschien an diesem Tag sorgfältig rasiert und sogar in einer Wolke von Vanilleduft. Sein Köfferchen war doppelt so bauchig wie sonst. Ich war neugierig, was es enthielt, traute mich aber nicht zu fragen.
»Zunächst sei gesagt«, fing Loki an, »dass es zweierlei Liebeskunstkurse gibt: einen für Vampirjungen und einen für Vampirmädchen. Sie sind grundverschieden. Wichtig zu wissen ist ferner, dass alles hier Gesagte sich ausschließlich auf Menschenfrauen bezieht und auf Vampirfrauen keinesfalls übertragbar ist.«
»Und was ist, wenn ich mich in eine Vampirin verliebe?«, fragte ich.
Loki zuckte wieder die Achseln.
»Eine solche Möglichkeit ist nicht vorgesehen. Wir befassen uns nur mit den Menschen. Beziehungen zu Vampiren wirst du nach eigenem Ermessen gestalten und stehst dafür ein. Da kann es keinen Nachwuchslehrgang geben. So, jetzt greif zur Feder, schlag dein Heft auf und schreib ...«
»Das Verhältnis des Vampirs zur Frau«, begann er zu diktieren, »ist ein krasser Gegenentwurf zum kalten Zynismus des Menschen. Es vereinigt in sich pragmatische Rationalität und edles Rittertum ... Hast du? Die Rationalität besteht darin, dass der Vampir auf die scheinheilige und demütigende Prozedur des sogenannten Flirtens verzichtet und gleich zur Sache kommt. Das Rittertum besteht darin, dass die Frau von der peinlichen Pflicht, einen Orgasmus vorzutäuschen, entbunden und für den Sex stets ausbezahlt wird ...«
»Ich komm nicht hinterher«, sagte ich.
Loki ließ mich den Satz zu Ende schreiben.
»Fünf Prinzipien gibt es«, fuhr er fort, »von denen sich ein Vampir in seinem Privatleben leiten lässt. Erstens: Der Vampir ist bestrebt, den Liebesakt auf die Bekanntschaft mit einer Frau unverzüglich folgen zu lassen. Zweitens: Nach dem Liebesakt wird die Bekanntschaft mit einer Frau in der Regel abrupt beendet. Drittens: Die Frau wird vom Vampir für ihre Dienste bezahlt. Viertens: Der Vampir wird die Frau, mit der er schläft, im Normalfall nicht beißen. Und fünftens die Grundregel: Der Vampir wird es niemals zulassen, dass die Frau einen Orgasmus vortäuscht...«
»Das verstehe ich nicht«, sagte ich, den Blick vom Heft lösend. »Entbindet der Vampir die Frau ritterlich von der Pflicht, einen Orgasmus vorzutäuschen, oder verbietet er es ihr zu tun?«
»Das ist doch ein und dasselbe.«
»Wieso?«
Loki maß mich mit einem langen Blick.
»Rama«, sprach er sodann in bewegtem Ton, »lass uns ein Wort unter Männern reden.«
»Bitte«, sagte ich.
»Wir wollen die Dinge beim Namen nennen. Der gemeinsame genitale Orgasmus von Mann und Frau während des Geschlechtsaktes ist ein großartiges, doch uneinlösbares Ideal, ungefähr so wie der Kommunismus. Der Vampir sollte sich stets vergegenwärtigen, dass das Liebesverhalten der Frau sozialökonomisch motiviert ist. So hat es sich über Jahrtausende herausgebildet. Ein paar Jahrzehnte formaler Gleichberechtigung können daran nichts ändern.«
»Bisher haben Sie die Sache nur unter theoretischem Aspekt betrachtet«, stellte ich fest. »Darf man erfahren, was das Ganze praktisch bedeutet?«
»Natürlich. Wenn die Frau schon nach der dritten Friktion geräuschvoll zu atmen beginnt, die Augen verdreht und spitze Schreie ausstößt, deutet das darauf hin, dass sie sich unnatürlich verhält und an einem sozialen Projekt arbeitet, während ihr Partner sich biologisch betätigt. Ist es aber so, dass der an deiner Seite liegende Mensch insgeheim seinem sozialen Projekt frönt, dann heißt es für dich als Vampir, auf der Hut zu sein.«
»Welchen Vorteil könnte die Frau denn aus der Vortäuschung eines Orgasmus ziehen?«, fragte ich. »Das leuchtet mir, ehrlich gesagt, nicht ein.«
»Es leuchtet dir deshalb nicht ein, weil du denkst wie ein Mensch.«
Von diesem Vorwurf bekam ich allmählich Schwielen. Schuldbewusst senkte ich die Augen.
»Ich will es dir erklären«, sagte Loki von oben herab. »Nicht die, die uns Gutes tun, sind es, die wir lieben. Sondern die, denen wir Gutes tun. Je mehr, desto inbrünstiger. Das ist eine psychologische Gesetzmäßigkeit, die die Frau seit Urzeiten weidlich ausnutzt. Sie will dem Vampir weismachen, dass sie pausenlos multiple Orgasmen
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