Das fuenfte Imperium
Blog.«
»Blogs statt Zeitungen zu lesen«, beschied Hera, »das ist, als äße man zwar kein Fleisch, aber die Exkremente von Fleischern.«
Ich hüstelte.
»Wo hast du das denn aufgeschnappt?«
»Gar nicht aufgeschnappt. Ich denke selbst.«
»Im Livejournal ließe sich hinter so eine Aussage wenigstens ein Smiley setzen.«
»Ja, klar. Smileys sind ein visuelles Deo. Die setzt der User, wenn er das Gefühl hat, dass von ihm ein schlechter Geruch ausgeht«, konterte Hera. »Und er will sichergehen, dass er gut riecht.«
Ich musste an mich halten, um nicht diskret beiseitezutreten und meinen Körpergeruch zu prüfen. Bis ans Ende des Boulevards liefen wir schweigend.
»Na gut«, sagte ich. »Beim Diskurs scheinst du auf der Höhe der Zeit zu sein. Aber was den Glamour angeht ... Oder bin vielleicht ich nicht auf dem Laufenden? Ist das der letzte Schrei, so Tom-Sawyer-mäßig rumzulaufen?«
»Tom-Sawyer-mäßig, was soll das heißen?«
Ich ließ meinen Blick von ihrem verwaschenen schwarzen Fußball-T-Shirt über die Jeans, die vielleicht auch mal schwarz gewesen waren, zu den Sneakers hinabgehen.
»Na ja. Als hättest du vor, einen Zaun anzustreichen.«
Das war natürlich ein Schlag unter die Gürtellinie. So was sagt man einem Mädchen nicht ... Jedenfalls hoffte ich inständig, dass es ein Schlag unter die Gürtellinie war.
»Findest du mich schlecht angezogen?«, fragte sie.
»Ach, was heißt schlecht. Arbeitsklamotten sind cool. Dir steht das. Aber es ist nicht gerade das urbane Outfit...«
»Moment mal. Bist du ernstlich der Meinung, dass ich Arbeitsklamotten trage? Und nicht vielleicht du?«
Mein Jackett zierte ein Dreiangel, Rußflecke an mehreren Stellen, und trotzdem war ich mir sicher, dass mein Äußeres den Normen einigermaßen entsprach. Immerhin war alles, was ich am Leib hatte - Jackett, Hose, Hemd, Schuhe - bei LovemarX erworben. Ich hatte eine Kleiderpuppe, die auf der Verkaufsfläche herumstand, komplett abgeräumt; nur die Strümpfe hatte ich dazugekauft. Mit dieser Methode wusste ich meine Inkompetenz in Glamourfragen zu bemänteln. Und sie funktionierte: Kein anderer als Baldur hatte mir ein Kompliment gemacht. Ich sei gekleidet wie ein grönländischer Schwuler zur Brunftzeit, meinte er.
»Deine Bürouniform zeigt durchaus nicht an, dass du der erniedrigenden Arbeit des Zaunanstreichens entkommen bist«, gab Hera selbst die Antwort, die sie hören wollte. »Im Gegenteil. Sie teilt deiner Umwelt mit, dass du zehn Uhr morgens im Kontor zu sein, einen Eimer Farbe zu imaginie-ren und bis sieben Uhr abends einen eingebildeten Zaun in deinem Kopf anzustreichen hast. Mit einer kurzen Mittagspause. Und man kann nur hoffen, dass dein Obermanager mit dem Fortgang der Arbeit zufrieden ist, den er an deiner optimistischen Miene und der Röte deiner Wangen ablesen wird ...«
»Wie kommst du darauf ...« wollte ich protestieren, kam aber nicht weit.
»Was für beknackte Ansichten!«, stieß sie hervor. »Und das aus dem Munde eines Vampirs! Rama, du siehst aus wie ein Notariatsgehilfe vor dem Personalgespräch. Als steckte in deiner Innentasche der zweimal säuberlich gefaltete Kurz-Lebenslauf, und du traust dich nicht, ihn noch mal rauszuholen und durchzulesen, weil deine Hände vor lauter Pflichtbewusstsein schwitzen, und du fürchtest, die Buchstaben könnten verschwimmen. So einer will mir Vorschriften machen! Und das, wo ich zur Feier des Tages unsere Nationaltracht angelegt habe!«
»Nationaltracht?!«, fragte ich perplex.
»Die Nationaltracht der Vampire ist schwarz. Und sowieso bedeutet industrial exemption im 21. Jahrhundert, dass es dich kaltlässt, was der Käptn der Galeere, auf der du ans Ruder gekettet bist, von deinem Jackett hält. Alles andere wäre Arbeitskleidung. Ob mit oder ohne Rolex. Mit Rolex sogar erst recht.«
Tatsächlich trug ich eine am Arm - nicht protzig, aber echt. Deren Gewicht mir auf einmal unerträglich vorkam; ich schob das Handgelenk in den Ärmel. Überhaupt fühlte ich mich gerade, als würde ich in einem Fass auf die Niagarafälle zutreiben.
Wir überquerten den Neuen Arbat. Hera machte vor einem Schaufenster halt, betrachtete forschend ihr Spiegelbild, zog einen Lippenstift aus der Tasche und malte sich die Lippen grellrot nach. Nach dieser Prozedur sah sie aus wie eines dieser Vampirmädchen aus den Comics.
»Hübsch«, stammelte ich.
»Danke.«
Sie schob den Lippenstift zurück in die Tasche.
»Sag mal, glaubst du eigentlich diese
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