Das fuenfte Imperium
keine Frage. Es gibt solche und solche. Manchmal gelüstet es Vampire aus diversen Ländern, wie Kinder miteinander zu spielen. Sie nehmen dazu Menschen statt Bleisoldaten. Manchmal spielen gar Vampire eines Clans gegeneinander auf dem eigenen Territorium Krieg. Aber in der Regel versuchen wir die Ressourcen friedlich untereinander aufzuteilen. Es gelingt leider nicht immer.«
»Vielleicht müssten die Menschen sich diese Viehzüchter mal ordentlich vornehmen?«, mutmaßte Hera.
»Den Zaun abreißen!«, blies ich ins selbe Horn. »Zurück zur Natur!«
»Vergesst nicht, dass ihr jetzt dazugehört, Kinder«, sagte Enlil Maratowitsch. »Sonst würdet ihr nicht hier hängen. Euer Protest in allen Ehren - ich bin ja selbst ein milder und mitfühlender Charakter. Aber eines merkt euch ein für alle Mal: Rinder, Schweine und Menschen darf man nicht in die Freiheit entlassen. Vielleicht könnte man sich für die ersteren noch irgendwelche Sonderwege ausdenken - doch für Menschen ist es von vornherein unmöglich, da sie ihrem Wesen nach nur ein nach außen verlegter Teil unserer Peristaltik sind. Es gibt für sie keine natürlichen Lebensräume, denn sie selbst sind widernatürlich. Ein Mensch wüsste mit seiner Freiheit nichts anzufangen. Er wurde gezüchtet, um so zu leben, wie er es tut. Und man muss darüber keine Tränen vergießen -er hat es ja gar nicht mal schlecht. Anstelle von Freiheit hat er Freizügigkeit. Das ist eine phantastische Sache. Wir sagen ihm: Zupf dein Gras, wo es dir lieb ist! Je mehr Freizügigkeit, desto mehr Geld kannst du produzieren. Prima, oder nicht?«
Enlil Maratowitsch ließ ein zufriedenes Lachen hören.
»Die Hauptsache verstehe ich noch nicht«, sagte ich. »Sämtliche Geldströme werden von A bis Z durch den Menschen kontrolliert. Wie kommen die Vampire zu Geld, und was machen sie damit?«
»Das ist ein anderes Thema«, beschied Enlil Maratowitsch, »darüber reden wir später. Lasst uns jetzt ein bisschen schweigen ...«
Stille trat ein.
Ich schloss die Augen. Einfach so kopfunter zu hängen und an nichts zu denken gefiel mir. Alsbald fiel ich in eine Art Starre, beinahe wie Schlaf - doch es war keiner, es war kristallene Gedankenlosigkeit. Vielleicht das, wovon Iggy Popp sang: The fish doesnt think, because the fish knows everything ... Gut möglich, dass auch ich in diesem Zustand allwissend war - das ließ sich allerdings schwer nachweisen, denn dafür hätte man zu denken wieder anfangen müssen. Und das hätte den Zustand augenblicklich beendet.
Ich weiß nicht, wie viel Zeit verging. Ein scharfes Händeklatschen riss mich aus der Versenkung. Ich schlug die Augen auf.
»Kikeriki!«, rief Enlil Maratowitsch munter.
Er fasste nach dem Reif und ließ sich mit einer für seine Körperfülle erstaunlichen Behendigkeit zu Boden gleiten. Ich begriff, dass die Audienz beendet war. Hera und ich hangelten uns gleichfalls nach unten.
»Noch mal zum Geldverkehr der Vampire« sagte ich. »Spannen Sie uns doch nicht auf die Folter. Wenigstens eine kleine Andeutung?«
Enlil Maratowitsch schmunzelte. Er zog eine Geldbörse aus der Tasche seiner Trainingshose, entnahm ihr einen Eindollarschein, riss ihn mittendurch und streckte mir die Hälften entgegen.
»Da hast du die Antwort«, sagte er. »Und jetzt raus hier, hopp, hopp!«
»Wohin?«, fragte Hera.
»Dort ist ein Fahrstuhl. Er bringt euch hinauf in meine Hausgarage.«
HERA
Der Wagen fuhr aus der unterirdischen Betonbox, vorbei an einem Wachhäuschen, durch ein Tor - und schon zogen wieder Kiefern vor dem Seitenfenster vorbei. Ich hatte Enlil Maratowitschs Haus nicht zu Gesicht bekommen, nur einen drei Meter hohen Zaun. Es war schon um die Mittagszeit; demnach hatten wir die ganze Nacht und den Morgen hindurch im Hamlet gehangen. Wo die viele Zeit bloß hin war?
Hera, die neben mir saß, ließ den Kopf an meine Schulter sinken. Ich war baff. Bis ich merkte, dass sie einfach nur eingeschlafen war. Ich schloss die Augen und tat so, als schliefe ich auch, dabei legte ich meine Hand auf die ihre. So saßen wir eine gute Viertelstunde, bis sie erwachte und ihre Hand wegzog.
Ich klappte die Augen auf, schaute gähnend aus dem Fenster, so als wäre auch ich gerade aufgewacht. Wir waren kurz vor Moskau.
»Wohin jetzt?«, fragte ich Hera.
»Nach Hause.«
»Ach, lass uns im Zentrum aussteigen. Noch ein bisschen spazieren gehen.«
»Gut«, sagte Hera, auf die Uhr schauend. »Nur nicht zu lange.«
»Fahren Sie uns zur
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